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Ciara

Ciara

Titel: Ciara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Rensmann
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Tag
     
    Ein neuer Tag brach an, als Paul sich in seinen BMW setzte, in dem er sich heimischer fühlte als in der soeben gekündigten Wohnung. Nach der Arbeit kurvte er meist stundenlang durch die Gegend und lauschte den Rock-’n’-Roll-Rhythmen des US-Senders aus dem Radio. Er war stets auf der Suche gewesen, aber auch das wurde ihm erst jetzt wirklich bewusst, wo er das Gesuchte gefunden zu haben schien.
    Die hellgrauen schweren Wolken kündigten den ersten Schneefall in diesem Winter an, was zahllose Autofahrer vorab dazu animierte, im Schritttempo durch die Stadt zu kriechen. Der durch die zerbrochene Seitenscheibe wehende eisige Wind kühlte Pauls erhitzte Wangen. Er verdrängte jeglichen Gedanken an die Zukunft und konzentrierte sich vollends auf den Verkehr.
     
    Als Mike diesmal erwachte, fühlte er sich ausgeruht. Er erinnerte sich nicht daran, jemals zuvor so realistisch geträumt, noch solch eine Furcht verspürt zu haben.
    Außer damals vielleicht, als er Monique bei Tageslicht und nüchtern gesehen hatte. Die kurvenreiche, dunkelhäutige Monique, die einst ein Mann gewesen war und sich am Morgen danach vor dem Spiegel im Flur rasiert hatte. Mike lachte befreit. Dann erinnerte er sich wieder an Fragmente seines Traumes und das unbehagliche Gefühl kehrte zurück.
    Er duschte ausgiebig. Obwohl heute sein freier Tag war, ließ er sich nach dem Frühstück mit einem Taxi zum Krankenhaus fahren, um seine Harley abzuholen.
    Mit eiligen Schritten bewegte sich Mike in Richtung des Angestelltenparkplatzes, doch bevor er seine Maschine erreichte, nahm er die Aufschrift einer Tür wahr, die er schon unzählige Male gelesen, aber nie wirklich registriert hatte:
     
    PATHOLOGIE
ZUTRITT NUR FÜR PERSONAL
     
    Zögernd steuerte Mike auf die grün gestrichene Eisentür zu. Der mit Reif überzogene Knauf fühlte sich unangenehm kalt und feucht an, als Mike vergebens versuchte, ihn zu drehen. Suchend schaute er sich nach der Klingel um, die er hinter einer hochgewachsenen Efeuranke entdeckte. Er schellte und steckte dann seine Hände in die Hosentaschen. Während er wartete, hüpfte er auf und ab und vertrieb so die Kälte aus seinen Gliedern. Als er schon ein zweites Mal klingeln wollte, öffnete sich die Tür. Ein kleinwüchsiger Mann blinzelte Mike durch runde, viel zu große Brillengläser an.
    »Ich möchte gern eine Patientin von mir sehen. Ist das möglich?« Dabei hielt Mike seinen Angestelltenausweis vor.
    Der Mann nickte, stellte sich als Doktor Strepkow vor und bat Mike herein.
    »Wie hieß denn Ihre Patientin?«
    »Ciara Duchas.«
    Der gedrungene Mann musterte Mike skeptisch. Seine Nasenflügel zitterten, sodass die Brille hin und her tanzte. Dann schüttelte der Pathologe den Kopf. Das lichte blonde Haar, das ihm bis auf die Schultern reichte, flog dabei von einer Seite zur anderen. »An diesen Namen könnte ich mich sicherlich erinnern. Aber das kann ich nicht. Also liegt sie auch nicht bei mir.«
    Mike stutzte. »Mein Kollege Paul Philis hat sie runtergebracht. Gestern Nachmittag. Sie muss hier sein.«
    »Ich war gestern nicht da. Aber ich schau mal nach, ob die Vertretung eine Frau mit diesem Namen angenommen hat.« Energisch lief Doktor Strepkow voran. Der blaue Kittel bauschte sich auf. Mike folgte dem Mann über den abgenutzten hellgrünen Linoleumboden durch den fensterlosen, spärlich beleuchteten Flur in ein mit graumetallenen Möbeln eingerichtetes Büro. An den gelb gestrichenen Wänden hingen etwa drei Dutzend Fotos von Leichen, die in grotesken Stellungen in die Totenstarre gefallen waren. Jemand hatte, bevor die Aufnahmen gemacht worden waren, die Gesichter der Toten respektvoll mit weißen Tüchern verhüllt. Auf dem Schreibtisch stapelten sich penibel zu den Rändern ausgerichtete Akten. Eine davon öffnete Doktor Strepkow mit so viel Schwung, dass ein Duftzerstäuber, auf dem ein Zitronenaufkleber haftete, von der Tischkante zu fallen drohte. Der Pathologe griff, ohne hinzusehen, danach und rückte das runde Plastikgefäß wieder an die richtige Stelle. Die höchsten Wedel der in einer Ecke stehenden Palme drückten gegen die weiß getünchte Decke. Neben dieser einzigen Pflanze im Raum sollte ein gepolsterter Holzstuhl zum Sitzen einladen. Aber Mike fühlte sich unwohl in dieser Atmosphäre und verspürte keine Lust, sich häuslich niederzulassen. Er steckte die Hände in die Hosentaschen und zog die Schultern hoch. Was hatte ihn bewogen, nach Frau Duchas zu fragen? Ihm fiel kein Grund

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