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Ciara

Ciara

Titel: Ciara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Rensmann
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geradeaus, sprang über Büsche und wich Tannenwedeln und Ästen aus, bis er Ciara endlich auf einer kleinen Lichtung stehend entdeckte. Sie drehte sich zu ihm um. Der Vollmond leuchtete in der rabenschwarzen Nacht auf sie herab. Ein geheimnisvolles Lächeln umspielte Ciaras Lippen, bevor sie ihren Mund öffnete und spitze Schneidezähne entblößte. Sie ging auf Mike zu. Ein Geräusch, als klopfe jemand abwechselnd auf Metall, dann auf Holz, dann wieder auf Metall, wobei die Töne aus unterschiedlichen Richtungen zu kommen schienen, ließ Ciara und Mike in ihren Positionen verharren. Sie schauten nach oben, dann zur Seite und folgten dem rhythmischen Klopfen der unsichtbaren Kapelle. Wortfetzen reihten sich in die Musik …
     
    »Machen Sie die Tür auf! Ist alles in Ordnung mit Ihnen? Brauchen Sie Hilfe?«
    Mike schreckte auf, der Traum verblasste, das Rufen und Klopfen, das – wie ihm jetzt klar wurde – durch das Autodach zu ihm drang, blieb. Für mehrere hektische Herzschläge sah er sich orientierungslos um und zuckte erschrocken zusammen, als er das verzerrte Gesicht eines Polizisten bemerkte, das sich gegen die Plexiglasscheibe presste. Mike wünschte sich eine Tarnkappe, die es ihm ermöglichte, unsichtbar aus dem Wagen zu springen und fortzurennen, aber nachdem er alle Fluchtmöglichkeiten gedanklich durchgespielt und stets dabei verloren hatte, öffnete er die Tür.
    »Ich weiß, wir parken falsch. Entschuldigen Sie bitte.«
    Skeptisch sah ihn der Beamte an. »Ist alles in Ordnung? Steigen Sie bitte mal aus.«
    Vorsichtig legte Mike den Blutbeutel zur Seite und folgte der Aufforderung.
    »Und Sie auch!«, befahl der Polizist barsch und beugte sich tiefer, um Paul zu betrachten, der jetzt die Augen geschlossen hielt und nicht reagierte.
    »Ein Taxi hat mich hergebracht, nachdem mich sein Hilferuf erreichte. Mein Patient ist Bluter, müssen Sie wissen, er hatte starkes Nasenbluten und sein Gerinnungsmittel vergessen. Ich konnte ihm damit aushelfen, aber eine Transfusion benötigte er dennoch. Und da ich gestern einen Unfall hatte, konnte ich den Wagen leider nicht selber wegfahren.« Mike hoffte, dass der Polizist seine Ausrede nicht infrage stellte. Er glaubte nicht, dass ihm eine weitere Lüge einfallen würde.
    »Zeigen Sie mir bitte mal Ihre Papiere.«
    Umständlich fingerte Mike seine Brieftasche aus der Hosentasche und kramte seinen Ausweis heraus. »Ich bin Arzt am Städtischen Krankenhaus. Sie können dort gern nachfragen.« Mike wusste, dass er seinen Job verlieren würde – und das wäre noch sein kleinstes Problem –, falls der Beamte diese Möglichkeit ergriff.
    Mike beobachtete, wie der Polizist leicht hinkend zu dem Streifenwagen stelzte, dort ein paar Worte mit seinem Kollegen wechselte und kurze Zeit später zurückkam.
    »Was ist mit ihrem Bein?«, erkundigte sich Mike in der Hoffnung, so einen Pluspunkt zu erhalten.
    »Ach, nichts weiter, nur eine Sportverletzung. Wann wird denn Ihr Patient in der Lage sein zu fahren? Oder soll ich Ihnen einen Krankenwagen rufen?«
    »Nein, das ist nicht nötig. Ich vermute, dass er in einer halben Stunde wieder fit ist. Während seiner Transfusion begibt er sich in eine Art Trance. Danach ist er wie neugeboren.« Mike lächelte den Mann freundlich an. Er wusste, dass die Lüge in seinen Augen klar erkennbar sein musste, aber die Dunkelheit half ihm, sie zu verbergen.
    Der Polizist lächelte und reichte ihm seinen Ausweis zurück. »Na gut, wie Sie meinen. Aber falls Sie doch noch Hilfe benötigen – wir fahren die ganze Nacht lang Streife und werden sicherlich mehrmals hier vorbeikommen.« Innerlich wähnte sich Mike schon in Sicherheit, doch da stieg der zweite Beamte aus dem Wagen und steuerte auf sie zu. Das Gesicht kam Mike bekannt vor, er wusste es aber nicht einzuordnen.
    »Mike? Bist du das?«
    Jetzt kam die Erinnerung zurück. »Georg? Das ist ja der Wahnsinn!« Sie umarmten sich und boxten sich freundschaftlich in den Bauch, als sie sich voneinander trennten.
    »Du bist bei der Polizei gelandet? Ich fass es nicht!«
    »Na ja, das mit dem Jurastudium hat nicht geklappt, und da dachte ich, versuch ich’s mal bei den Bullen.« Er schüttelte den Kopf und lachte nochmals. »Du siehst schrecklich aus, was haben sie denn mit dir gemacht?«
    »Ein kleiner Unfall.« Mike fühlte sich unwohl, es war nicht irgendwer, den er belog, sondern sein einst bester Kumpel.
    »Unfall? Sieht eher aus, als hätte dich jemand zusammengeschlagen.«
    Mike zuckte

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