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Ciara

Ciara

Titel: Ciara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Rensmann
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über die Haare, entriegelte die Tür und versuchte sich an der dicken Frau vorbeizudrängen, die ihr mit einem schmierigen Lappen bewaffnet und der grimmigsten Miene, die Ciara je gesehen hatte, den Ausgang versperrte: »Augenblick, Fräuleinchen. Erst will ich sehen, ob du nicht auf den Rand gepinkelt hast.«
    Ciara zog die Augenbrauen hoch und erkundigte sich freundlich, ob sie sich verhört habe.
    »Nein! So Mädchen wie du machen mir nur Scherereien und Dreck. Und wenn ich dich dabei erwische, kannste den auch selber wegmachen! Dat sach ich dir.«
    Im ersten Moment verspürte Ciara den Drang, laut loszulachen, doch sie besann sich. Ihr Hass verlangte danach, ohne Verzögerung ihre Aufgabe zu erfüllen, und, was noch wichtiger war, es galt, das Leben eines Mädchens zu retten.
    »Bitte«, sagte sie knapp und wies auf die nicht benutzte Toilette. Doch um den Blick dorthin freigeben zu können, musste Ciara erst aus der engen Kabine heraus. Die Frau, eingehüllt in einer Wolke billigen Parfüms, trat einen Schritt zur Seite. Ciara drängelte sich an ihr vorbei, wartete nicht auf ihr Urteil, sondern eilte aus dem Raum heraus.
    »Undankbares Volk – nicht mal Trinkgeld – schreckliche Gören –«, vernahm Ciara die Tirade der Toilettendame hinter sich. Als sie sich außer Hörweite befand, verlangsamte sie ihre Schritte. Sie durfte nicht riskieren, von einem übereifrigen Hausdetektiv gestoppt zu werden, der etwas Verdächtiges in ihrer Eile vermutete.
    Der kurze Augenblick, in dem sie
ihn
erspäht hatte, genügte Ciara, um den Ort zu erkennen, an dem er das Mädchen überfallen hatte. Im Hintergrund hatte sie die bemalten Mauern des Zoos bemerkt und das Kreischen von Vögeln gehört. Sie war als Kind selten im Tierpark gewesen, weil sie die gedemütigte Haltung der eingesperrten Tiere nicht ertrug, entsann sich aber vage, dass die Vogelkäfige an der Ostseite des Geländes lagen. Hoffentlich kam sie nicht zu spät. Um keine kostbare Zeit zu verschwenden, ließ sie sich von einem Taxi in einer Nebenstraße absetzen, bezahlte die Fahrt mit dem restlichen Bargeld und eilte los. Schon von Weitem hörte sie das Kreischen der Papageien und folgte deren Rufen. Der Weg führte sie in eine einsame Sackgasse – der richtige Platz für
ihn.
Dichtes Gestrüpp wucherte an der Mauer hoch. Sollte sie sich geirrt haben? Da – eine kahle Stelle und die bunte gemalte Tierwelt, die im Laufe der Zeit durch Wettereinflüsse hässliche Risse bekommen hatte.
    Ciara fürchtete sich vor der anstehenden Entdeckung, aber weder
er
noch das Mädchen befand sich dort. Ciara setzte den schweren Rucksack ab, kniete sich hin; frische Blutflecken auf dem grauen Asphalt bewiesen ihr, dass sie sich nicht geirrt hatte. Sie schaute sich um und entdeckte eine Luke, groß genug für einen Mittelschnauzer, aber zu klein für einen Menschen, es sei denn …
    Ciara verdrängte jeglichen Gedanken an alle Grausamkeiten, die sie
ihm
zutraute, stemmte sich aus der Hocke hoch und ging zögernd auf die Luke zu. Sie beugte sich hinunter und umschloss mit der bloßen Hand den verrosteten Metallgriff. Mit einem entsetzten Aufschrei ließ sie ihn wieder los. Als habe sie sich die Haut verätzt, drückte sie ihre Hand an die Jacke. Das Gefühl, sie habe nicht den Griff, sondern
ihn
berührt, so als sei dies einer seiner Finger, übermannte sie, obwohl sie keine ihrer besonderen Sinne geöffnet hatte. Die Verbindung, die zwischen
ihm
und Ciara bestand, war ihr unbegreiflich, niemals wollte sie sich erneut von ihm berühren lassen. Doch dieses eine Mal blieb ihr keine andere Wahl, wenn sie das Mädchen retten wollte. Mit einem kräftigen Ruck öffnete Ciara die Luke, die mit einem quietschenden Geräusch zur Seite schwang. Angewidert wischte sich Ciara die Hand an der Hose ab, doch das ekelhafte Brennen blieb. Schlimmer aber war der Anblick, der sich ihr nun bot: Ein Kopf, von innen an die Luke gelehnt, kippte Ciara entgegen. In den aufgerissenen leblosen Augen der jungen Frau glaubte sie, Angst zu erkennen und Vorwürfe, die nur ihr gelten konnten.
    Geronnenes Blut klebte an der zarten Gesichtshaut, die offene Wunde zeichnete sich mahnend an dem schlanken Hals ab. Blutige Strähnen durchzogen das orangefarbene, krause, schulterlange Haar der Toten. Bevor Ciara dem quälenden Drang nachging, diesen Ort zu verlassen, zückte sie – als müsse sie sich exakt an die Anweisungen eines ordnungsgemäßen Bürger-Drehbuches halten – ihr Handy und benachrichtigte, ohne

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