Ciara
mit den Achseln. »War ja auch so. Frag mich aber nicht, wieso, ich habe nichts gemacht. Der Typ kam ohne Vorankündigung auf mich zu und hat mich verprügelt.«
»Vermutlich passte ihm deine Nase nicht, oder hast du ihm die Frau ausgespannt?« Georgs breites Grinsen wirkte im Kegel der Taschenlampe unheimlich.
»Ihr seid auf Streife?«, lenkte Mike ab.
»Ja, wir haben in den letzten Nächten vermehrt Übergriffe auf junge Frauen registrieren müssen, die leider alle tödlich verliefen, darum fahren wir jetzt Doppelschichten.«
»Ein Serienkiller?«
»Davon gehen wir aus«, mischte sich der Kollege ein, der das freundschaftliche Geplänkel lächelnd beobachtet hatte.
»Ich werde meine Augen offen halten und euch benachrichtigen, falls ich etwas Ungewöhnliches entdecke.«
»Das wäre hilfreich. Besten Dank, Mike. Aber misch dich nicht ein, in deinem Zustand wärst du keine Hilfe. Ruf uns sofort, solltest du etwas sehen!«, mahnte Georg.
»Klar. Sind es bestimmte Frauen, die der Täter bevorzugt?«
»Nun, es sind bisher drei Fälle bekannt. Bei allen Frauen handelte es sich um – nun lach nicht – Jungfrauen, zwischen 17 und 22 Jahre alt, und alle waren rothaarig.«
»Ach du Scheiße, hat der einen Knall?«, rief Mike aus und sah im Geiste Ciara vor sich.
Im Lichtkegel der Taschenlampe sah er, wie Georg nickte. »In der Regel trifft das auf alle Serienkiller zu. Du kennst nicht zufällig eine Frau, auf die diese Beschreibung passt, oder hast in den letzten Tagen so ein Mädchen bei euch behandelt?«
»Nein, nicht, dass ich wüsste. Aber tätliche Übergriffe werden grundsätzlich gemeldet. Was heute war, weiß ich allerdings nicht, da ich krankgeschrieben bin.« Wieder eine Lüge. Mike hoffte, dass sein Name weder in Ciaras Krankenakte noch auf der polizeilichen Meldung stand.
»Sie sind krankgeschrieben?«, hakte nun der andere Polizist nach.
›Jetzt hat er mich‹, dachte Mike.
»Ja, aber Paul, mein Patient, ist auch mein Freund, und in solchen Fällen bin ich zu jeder Zeit Arzt.«
»Stimmt, auf dich war immer Verlass.« Georg klopfte Mike auf die Schulter seines unverletzten Armes. »War schön, dich zu treffen. Lass uns bald mal ein Bier miteinander trinken. Was denkst du?« Die beiden Beamten steuerten bereits auf ihren Wagen zu.
»Das klingt gut. Ich weiß ja jetzt, wo ich dich erreichen kann.«
»Melde dich!«, rief Georg über die Schulter zurück.
Mike hob seine Hand, winkte zum Abschied und sank anschließend schnaufend auf den Beifahrersitz, zog die Tür zu und verriegelte sie. Die Vorstellung, dass irgendwo in der Dunkelheit ein Serienkiller lauerte, ließ ihn frösteln. Er zog die Jacke enger um die Schultern.
»Mach – das – nie – wieder.«
»Was?« Verwirrt schaute Mike nach links, sein Herz hämmerte gegen die Brust und er sehnte sich danach, die Zeit mindestens 72 Stunden zurückdrehen zu können. »Was hast du gesagt? Paul, bist du da? Hörst du mich?«
»Ciara – soll das – nie wieder machen.«
»Du kannst es ihr sagen, wenn wir sie gefunden haben. Aber sag mir lieber, wie es dir geht.«
»Ich – brauche Saft.«
»Falls du damit Blut meinst, das läuft schon ’ne Weile in dich rein.«
»Gut.«
»Wir müssen hier weg. Die Polizei war schon da«, teilte Mike mit.
Paul drehte schwerfällig seinen Kopf. Als sei dieser Körperteil ein bleischwerer Klumpen, plumpste er zur Seite und blieb mit dem Kinn voran grotesk auf der rechten Schulter liegen, so als gehöre er nicht zu dem erschlafften Leib. Bewegungsunfähig schielte Paul zu Mike hinüber, der ausführlich über den kurzen Besuch berichtete.
»Serienkiller?!«
Mike nickte. »Was hat Ciara dir angetan?«
»Gehirn eingedrungen. Mir – meine Kraft genommen.« Er leckte sich über die Lippen und schluckte wiederholt. Seine Stimme klang fremd und schleppend, als sei die Zunge zu einem dicken, unförmigen Klumpen deformiert.
»Du musst fahren.«
»Hiermit?« Mike hob den vergipsten Arm ein Stück hoch. »Wie soll ich dich damit auf den anderen Sitz hieven?«
Seine Erschöpfung raubte Paul den Atem. »Du musst!«
5. Tag
Ciara erwachte; weit entfernt vernahm sie ein Klopfen, das stetig lauter wurde. Jemand rief ihren Namen. Sie öffnete die Augen, die Helligkeit stach in ihre Pupillen, als seien die Wimpern umgeknickt und pieksten die empfindliche Iris. Sie wischte sich über die Stirn und erschrak, wie heiß sie sich anfühlte.
»Frau Duchas? Es ist halb acht, Sie wünschten, um diese Zeit geweckt zu
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