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Ciara

Ciara

Titel: Ciara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Rensmann
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entgehen. Obwohl er längst keinen Hunger mehr verspürte, befolgte er den Rat der Stimme, die er in seinem Kopf vernommen hatte, und aß weiter, bis kein einziges Körnchen mehr auf dem Teller lag. Dann erhob er sich, stellte sein Geschirr auf einen Kantinenwagen und verließ den Raum. Abschätzende Blicke der anderen trafen seinen Rücken, aber Paul ging gemächlich auf sein Zimmer, ohne sich umzudrehen. Dort legte er sich auf das Bett und winkte in die Kamera. »Ich möchte sofort Doktor Smith sprechen, ansonsten bringe ich mich um.« Er gab dem unsichtbaren Zuhörer hinter dem schwarzen Punkt an der Decke exakt eine Minute Zeit, um das Gesagte auf sich wirken zu lassen, bevor er hinzufügte: »Und dann wandert die Essenz meiner Unsterblichkeit in die fette Mücke, die rechts neben der Kamera sitzt.«
    Das feine Lächeln, das seine Lippen umspielte, wuchs zu einem breiten Grinsen an. Paul setzte sich auf und wartete.
     
    Im selben Moment, als Paul mit der Absicht, seine Androhung in die Tat umzusetzen, auf das Fenster zutrat, wurde seine Zimmertür so schwungvoll aufgestoßen, dass sie gegen die Wand prallte. Eine hektische Röte überzog Doktor Smith’ Wangen, die Augen suchten panisch den Raum ab, ruhten kurz auf Paul und wanderten zur Decke, wo die Mücke nach wie vor auf das ihr zugedachte Schicksal wartete. Hinter Doktor Smith trafen zwei seiner Männer ein. Davon hielt der kleinere eine Fliegenklatsche in der Hand, der andere eine Leiter. Paul schnalzte mit der Zunge, schmunzelte und verschränkte die Arme in Erwartung dieser kostenlosen Darbietung. Der größere Mann stellte die Leiter so ungünstig neben das Bett, dass er – nachdem er die oberste Sprosse erklommen und sein Kollege ihm das Mordwerkzeug übergeben hatte – nur mit akrobatischen Höchstleistungen die Mücke erreichen konnte. Mit einem lauten »Patsch« knallte die Fliegenklatsche gegen die Decke, doch die Mücke bemerkte die Unruhe und flog rechtzeitig davon. Paul biss sich auf die Innenseite der Wangen und unterdrückte ein Lachen.
    »Findet sie – und durchforstet das Haus nach weiterem Ungeziefer!«, wies Doktor Smith barsch an und wedelte mit seinen Händen.
    »Aber achten Sie darauf, dass Sie nicht Ihresgleichen erwischen«, fügte Paul hinzu, was ihm einen wütenden Blick von Smith einbrachte.
    »Was soll das, Philis?«
    »Nennen Sie mich doch Paul. Macht all das familiärer, finden Sie nicht auch?«
    Doch sein Gegenüber reagierte nicht. Auch die Geste, mit der Paul ihm anbot, sich zu setzen, ignorierte er.
    »Smith, uns beiden ist doch klar, dass ich etwas habe, das Sie möchten. Und wir beide wissen auch, dass ich hier niemals lebend herauskommen werde.«
    »Oh, das kommt auf Ihre Kooperation an.«
    Paul erhob sich. »Machen Sie mir doch nichts vor und reden Sie nicht um den heißen Brei herum. Ich weiß nicht, wie weit Sie Ihre klebrigen Fäden ausgeworfen haben, wer mich beschattet und ausspioniert hat, und es interessiert mich auch nicht, aber spielen Sie nicht mit mir! Dabei werden Sie den Kürzeren ziehen, denn ich weiß, dass Sie keiner von meiner Sorte sind und nicht den Ansatz irgendwelcher parapsychologischen Fähigkeiten besitzen, sondern uns erforschen, um sich oder Ihren Nachkommen eines Tages diese Eigenschaften zu verpflanzen. Darum sind wir doch hier, nicht wahr?«
    Smith starrte Paul mit einem feinen Lächeln auf den Lippen an. »Ich bin überrascht von Ihrer Offenheit.« Er trat ans Fenster und schaute in den Garten. »Aber Sie täuschen sich in mir. Dennoch – was gedenken Sie zu unternehmen?« Smith drehte sich zu Paul um.
    »Ich habe ein paar Wünsche auf meine letzten Tage.«
    Doktor Smith neigte den Kopf.
    »Ich möchte ab sofort auf meinem Zimmer essen. Außerdem erwarte ich drei Liter Blut pro Tag, bei körperlichen Experimenten doppelt so viel – unverdünnt und kein Konzentrat. Und«, Paul erhob sich und trat so nah an Smith heran, dass dessen nach Pfefferminz riechender Atem empfindlich seine Nase reizte, »sie werden Fear aus dem Weg räumen!«
    Die eh schon schmalen Lippen des Arztes verwandelten sich in einen Strich. Für Sekunden starrte Smith ihn konsterniert an und verlor die Barriere, die seine Gedanken schützte. Nur für Augenblicke, aber lange genug, um in das fremde Gehirn einzudringen und darin zu lesen.
    Paul zuckte zurück und stammelte: »Du mieser Verräter.«
    Ohne ein weiteres Wort ging Smith aus dem Raum und knallte die Tür hinter sich zu.
    Er hatte sich geirrt! Smith gehörte zu

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