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Ciara

Ciara

Titel: Ciara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Rensmann
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Details besprochen hatten, schien es Mike aus dem Heim regelrecht hinauszudrängen. Schnell verabschiedete er sich von Bernhard mit einer Umarmung und von dem Bestatter per Handschlag und zog Ciara mit sich.
    Der Körper von Mikes Mutter sollte in einer Woche beigesetzt werden – ohne Zeremonie und anschließendes Kaffeetrinken.
     
    Längst war der Abend hereingebrochen, und die Dunkelheit vereinte sich mit der Kälte, als ein Taxi Ciara und Mike aus der Rosenstraße abholte.
    Beide hingen ihren Gedanken nach. Die Atmosphäre füllte sich mit nicht ausgesprochenen Fragen und schien ihnen den Sauerstoff zu rauben. Als sie endlich Ciaras Haus erreichten, fiel es ihnen schwer durchzuatmen. Auch der Taxifahrer musste froh sein, die schweigsame Kundschaft abgeliefert zu haben. Er fuhr, nachdem Ciara ihn bezahlt hatte, so schnell davon, dass der Wagen auf dem unbefestigten Boden kurz ins Schleudern geriet.
    Ohne ein Wort mit Ciara zu wechseln, ging Mike auf sein Zimmer. Dass er sie in diesem Moment ignorierte, verletzte Ciara, doch sie sagte nichts. Heute Abend vermisste sie ihre Mutter besonders – und Paul. Und Mikes Anwesenheit hätte ihr vielleicht ein wenig die Sehnsucht genommen, aber sie akzeptierte, dass er die Einsamkeit vorzog, die auch sie selbst vor wenigen Tagen noch, ohne zu zögern, gewählt hatte.
    Nachdem sie sich eine große Portion Nudeln gekocht und verspeist hatte, verstaute sie zunächst die Sachen, die Mike auf ihr Bett gelegt hatte. Danach holte sie zwei schwarze Kerzen aus ihrem Nachttisch hervor, zog die schweren Gardinen vor den Fenstern zur Seite und stellte die Kerzen in die dort platzierten silbernen Halterungen. Ohne konzentriertes Visualisieren entzündeten sich die Dochte wie von selbst, als Ciara mit Zeigefinger und Daumen darüberstrich.
    Sie wunderte sich nicht mehr darüber, dass ihre Fähigkeiten ohne jegliche Anstrengung wuchsen. Für einen Moment überlegte sie, ob sie zu Mike hinaufgehen sollte, aber sie entschied sich dagegen. Nicht allein deshalb, weil sie nachvollziehen konnte, dass er alleine sein wollte, sondern weil sie seine Skepsis ihr gegenüber spürte. Vor allem nach dem, was im Zimmer seiner Mutter geschehen war. Für sie selbst war es schon schwer, sich in ihrem Inneren zurechtzufinden – wie konnte sie es da von ihm verlangen? Wie mochte es Paul jetzt wohl ergehen? Ciara starrte durch das Sprossenfenster, das vom Boden bis zu den hohen Decken reichte und oben in einer Rundung zusammenlief, in die Nacht hinaus. Die Wolken verzogen sich und gaben die Sicht auf einen schwarzen Himmel frei, an dem der abnehmende Mond und unzählige leuchtende Sterne wie Statisten einer eisigen Winternacht hingen.
    Sie sog den Duft des schmelzenden Kerzenwaches ein, Tränen rannen ihr über die Wangen, während sie den Mond fixierte und ihn im Geiste nach den in ihr schlummernden Geheimnissen fragte.
    Erst als die Kerzen zur Hälfte heruntergebrannt waren, der Mond ein Stück weitergezogen und hinter den Wolken verschwunden war, legte sich Ciara schlafen.
     
    Unruhig wälzte sie sich in ihrem Bett hin und her, die Decke fiel zu Boden und entblößte ihren schlanken Körper, an dem sie bis auf einen BH und einen Slip nichts trug. Sie atmete stoßweise und stammelte zusammenhanglose Worte. Die Kette rutschte auf ihrem Dekolleté hin und her, der im Amulett eingefasste Mondstein leuchtete wie die Sterne am Firmament.
    Verschwommene Gesichter, einander überlappend und ineinander verschmolzen wie verbrannte Plastiken, durchzogen die Bilder ihres Traumes. Das ausgemergelte Antlitz von Mikes Mutter verwandelte sich in Ciaras Gesicht, verschwamm und entstand neu als Ebenbild Pauls. Und das Gesicht ihrer Mutter wechselte zu dem des Frettchens und dieses wiederum zurück zu Ciaras.
    Sie schrie und schlug um sich, aber niemand weckte sie. Als die Bilder endlich verblassten, krümmte sie sich zitternd wie ein Embryo zusammen, ihre Augen geschlossen, die Atmung flach, ihre Traumwelt dunkel und weit entfernt.
     
    Das Meer durchweichte seine Schuhe, die Kälte des Wassers durchdrang die Haut seiner Füße und stieg schrittweise über die Waden hinauf zu den Oberschenkeln, breitete sich in seinem Becken aus und hätte jedem anderen eine Blasenentzündung beschert. Doch Paul war dagegen immun. Wie gegen alle Krankheiten. Er zitterte nur leicht. Seit Stunden saß er am Strand, starrte aufs Meer, beobachtete das Glitzern der Sonnenstrahlen, die sich auf der Oberfläche brachen, und die Möwen, die in

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