Ciara
schluchzte und krümmte sich zusammen. Ihre Hände zitterten, als sie sah und am eigenen Leib zu spüren glaubte, was sie ihm zugefügt hatten.
»Ciara – wach auf! Es ist alles in Ordnung, du bist in Sicherheit.« Sie öffnete die Augen und blickte in Mikes besorgtes Gesicht.
»Was –?« Er hielt ihre Hände, strich über ihr Haar, wischte ihr mit seinen Fingerspitzen die Tränen aus dem Gesicht. »Was hast du gesehen?« Sie schüttelte den Kopf, zog die Augenbrauen zusammen und presste eine Hand auf den Mund, um das Schluchzen, das aus ihr herausdrängte, zu ersticken.
Mike nahm sie in den Arm und raunte ihr zu: »Morgen holen wir ihn da raus.«
Sie nickte und vergrub ihr Gesicht in seinen Haaren.
9. Tag
»Es interessiert Sie sicher, warum ich Ihnen das angetan habe?« Smith schaute auf Paul herab, der weiterhin gelähmt, stumm und unter Qualen an sein Bett gefesselt lag.
»Ich mag es nicht, wenn mir jemand Vorschriften macht. Sehen Sie, Fear hat versagt. Er ist ein dummes, einfältiges Wesen, bei dem es uns gelungen ist, seine geringen Fähigkeiten zu ergänzen. Es hat Zeit und Geld gekostet. Viel Geld. Und dann enttäuscht er mich so. Aber nun habe ich Sie, das ist noch besser.« Ein zufriedenes Lächeln erschien auf dem Gesicht des Arztes. Paul wünschte sich nichts mehr, als Smith ins Gesicht zu spucken und ihm die Hoden herauszureißen, so wie dieser ihm seine entnommen hatte, nachdem er ohnmächtig geworden war.
Er spürte das Pulsieren des Blutes, das durch seinen Körper floss, in seinem Gehirn. Und dort, wo die Hoden hingehörten, ertastete er, außer Schnitten eines Skalpells und Stichen einer Nadel, nichts.
Das alles fühlte er in seinem Kopf – und nur dort.
Er glaubte, verrückt zu werden, und ersehnte den Wahnsinn beinahe so sehr wie den Tod. Egal, nur nichts mehr spüren müssen, keine Schmerzen mehr haben.
Smith setzte sich in Bewegung und schritt wie ein Professor vor seinen Studenten auf und ab, während er dozierte: »Ich darf Sie beruhigen: Die Lähmung Ihres Sprachzentrums und Ihrer Extremitäten ist nicht von Dauer. Sie erhalten später Ihr spezielles Stärkungsmittel, dies wird auch die Starre lösen. Aber …«
Abrupt stoppte Smith vor Paul. »Aber das bedeutet nicht, dass wir schon fertig sind. Damit Sie Ihre Aufgaben zu meiner Zufriedenheit erfüllen können, werden wir einige kleinere Änderungen an Ihrem Gehirn und Ihrem Zentrum vornehmen müssen. – Nein, keine Operationen mehr.«
Wie ein Jäger das gefangene und sterbende Wild musterte er Paul lächelnd. »Ich weiß, Sie möchten wissen, wie lange es noch gehen wird.« Mit Schwung, als tanze er eine Pirouette, drehte sich Smith um, trat auf das Fenster zu und spähte hinaus. »Es kommt darauf an, wie Sie kooperieren. Ich bin durchaus gewillt, Ihnen einen langen Leidensweg zu ersparen, sofern Sie meinen Befehlen Folge leisten.«
Er wandte sich zu Paul. »Ich werde Sie jetzt in Ruhe lassen.« Doch bevor er Paul allein ließ, sagte er mit breitem und auf eine obskure Art glücklichem Lächeln: »Trotz Ihrer Warnung – sie kommt!«
Trauer überlagerte sein körperliches Leiden. Er wusste, dass ihm für eine weitere Nachricht die Energie fehlte. Und schlimmer – er sprach Smith durchaus die Fähigkeit zu, ihn entsprechend zu manipulieren, sodass er Ciara auf seinen Befehl hin töten würde, auch wenn ihm jetzt noch die Kraft fehlte. Smith würde ihn aufpäppeln, nur für den einen Zweck. Er hatte den Mann unterschätzt.
Im Nachhinein verfluchte er sich dafür, seine Drohung nicht wahr gemacht zu haben. Der Tod und das Erbe an die Mücke weiterzugeben, die – wie Paul gespürt hatte – aufnahmebereit gewesen war, schien die bessere Alternative gewesen zu sein. Aber er musste den Helden spielen und Smith die Pistole auf die Brust setzen. Hätte er diese Waffe doch auch benutzt, anstatt lediglich damit herumzufuchteln. Jetzt war es zu spät!
Warum nur hatte er seine Fähigkeiten eingefroren? Um seine Mitmenschen zu schützen? Er verspottete sich selbst. Vielmehr hätte er lernen müssen, mit der Gabe umzugehen, anstatt sie zu verleugnen. Doch die Angst vor dem Tier in ihm hatte ihn dazu gezwungen.
Ciara – bleib weg von hier! Du darfst nicht herkommen!
Und doch sehnte er sich nach einem einzigen, letzten Kuss von ihr.
Sie hatten auf den abgenutzten braunen Ledersesseln in der Abfertigungshalle des Flughafens gedöst. Ciara war, den Kopf an Mikes Schulter gelehnt, eingeschlafen. Er hatte ihre Nähe und den
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