Ciara

Geruch ihres Haares genossen. Als um zwei Uhr nachts ihr Flug aufgerufen wurde, bedauerte er fast, dass die Zeit so schnell vorübergegangen war.
    Sein Herz raste, während sie durch die Gepäckkontrolle gingen. Das Frettchen wurde – zu seiner Überraschung – nicht erkannt, und anscheinend standen sie noch nicht auf der Fahndungsliste, denn sie wurden ohne Probleme durchgelassen. Alles erschien ihm zu leicht.
    Am Bord erhielten sie ein karges Nachtmahl. Obwohl Mike hungrig war, verzichtete er und gab Ciara seine belegten Brötchen. Selbst trank er nur einen Kaffee und versuchte, während des Fluges zu schlafen und an nichts zu denken.
    Mit etwas Verspätung landeten sie am Morgen auf dem Hancock County Bar Harbor in Trenton. Es herrschte bereits reges Treiben auf dem kleinen Flughafen. Um zur Insel zu gelangen, mussten sie eine Privatmaschine buchen. Glücklicherweise kamen sie an der Auskunft sofort dran. Eine dunkelhäutige Frau, die Mike auf Mitte dreißig schätzte, blinzelte sie neugierig an.
    Ciara erkundigte sich auf Englisch nach einem privaten Flug. Die Frau teilte ihr mit, dass nur zwei Piloten nach Alley Island flögen. Einer jedoch sei krank und der andere seit Stunden nicht erreichbar.
    Nachdem Ciara die Dringlichkeit erklärt hatte, rückte die Dunkelhäutige mit der Telefonnummer des Piloten raus.
    Sie bedankten sich beide, verließen die Halle und suchten sich eine ruhige Ecke. Von hier aus konnten sie den Taxistand sehen und die Hektik mit etwas Abstand betrachten. Mike rief per Handy den Piloten an und war angenehm überrascht, als sich am anderen Ende der Leitung sofort jemand meldete.
    »Sie wollen tatsächlich nach Alley Island?«, vergewisserte sich der Mann. Er sprach fließend deutsch.
    »So ist es«, bestätigte Mike.
    »Scheint ja neuerdings richtig was los zu sein dort.«
    »Wann können Sie hier sein?«
    »Morgen.«
    »Morgen ist es zu spät, wir müssen heute hin, und dann so schnell wie möglich wieder zurück.«
    »Soll das heißen, ich soll dort warten? Ich bin kein Taxifahrer.«
    »Wir bezahlen die Wartezeit.« Mike schaute Ciara an und zog die Augenbrauen fragend hoch, woraufhin sie zustimmend nickte.
    »Ich komme in zwei Stunden. Warten Sie in der Abflugebene drei auf mich.«
    »Wie erkennen wir Sie?«
    »Ich bin fett, dunkel und habe eine Glatze.« Mit dieser kargen Personenbeschreibung beendete der Pilot, der seinen Namen nicht genannt hatte, das Gespräch.
    »Fett, kahl, dunkel – ah, ja. Was für ein komischer Kauz«, murmelte Mike, während er sein Handy zuklappte.
    »Hauptsache, er fliegt uns rüber und wartet, bis wir Paul gefunden haben.«
    »Ich schätze, für Geld macht der alles.«
    »Konnte uns doch nichts Besseres passieren«, meinte Ciara. »Ich muss vorher noch unbedingt was essen!«
    »Hast du im Flugzeug nicht schon genug gehabt?«
    »Nein«, antwortete sie knapp.
    Sie gingen zurück in die Wartehalle, wo Ciara auf ein Diner zusteuerte und ihren Hunger mit drei Hot Dogs stillte. Für den Weg zur Abflugebene drei nahm sie noch einen Hamburger mit. Die Ebene befand sich am Ende der Abfertigungshalle. Kein Mensch hielt sich dort auf, und so setzten sie sich auf eine gelb gestrichene Bank und warteten.
    »Wenn es dir möglich ist, musst du noch einmal Kontakt zu ihm aufnehmen oder feststellen, wie wir an ihn herankommen.«
    Er fühlte sich hilflos. Was erwartete ihn in diesem Institut? Vielleicht ging es Paul gut da und Ciaras Wahrnehmungen funktionierten nicht richtig. Und wenn sie ihn doch unter Einsatz von Gewalt herausholen mussten? Unter normalen Umständen fühlte er sich handfesten Auseinandersetzungen durchaus gewachsen, aber mit dem gebrochenen Arm konnte er nicht mal schnell genug davonrennen.
    »Ich kann nicht zaubern!«
    Mike runzelte die Stirn.
    »Was ist?«, fragte Ciara.
    »Du bist sicher nicht die klassische Variante einer Märchenhexe, aber du weißt schon, dass da mehr in dir schlummert als telepathische Fähigkeiten, oder?«
    »Wie meinst du das?«
    »Du hast über etwas gesprochen – im Zimmer meiner Mutter –, das nur sie und ich wussten.«
    Halt suchend griff sie nach Mikes Hand und schaute zu Boden. »Als ihr Atem erlosch, spürte ich eine Kühle auf der Zunge, so als ob du eine komplette Packung dieser komischen Kaugummiplättchen auf die Zunge gelegt hast, nur für einen kurzen Moment. Ich habe dem erst keine Bedeutung beigemessen. Vielleicht, ich weiß es nicht, vielleicht war das ihr Wissen?«
    Es juckte Mike an der Nase, aber er wollte