Cigams Sündenfall
einen Moment schloß ich die Augen und genoß die leichte Kälte, die über meine Haut strich. Danan schaute ich mich um.
Die braune Holzverkleidung reichte hoch bis zur Decke. Sie selbst bestand aus einem gelblichen Stuck.
Ich sah das lange Ofenrohr einer nicht sehr vertrauenserweckenden Gasheizung und war froh darüber, daß sie bei diesen Temperaturen nicht eingeschaltet werden mußte.
»Wo wollen wir sitzen?«
»Das ist mir egal. Sie sind hier der Chef, Milena.«
Sie lachte und ging vor. Ich roch das Bier und kaute schon, ohne etwas im Mund zu spüren. Ein herrliches Pils aus dem großen Faß oder einfach nur ein Budweiser, das war schon etwas Feines.
Das Lokal war nicht besonders gut besucht. Die Gäste hatten Platz genug, um sich zu verteilen. Durch die kleinen, düster wirkenden Scheiben sickerte nur wenig Licht, und Milena setzte sich mit uns an einen Tisch, von dem aus wir den Eingang im Auge behalten konnten.
Sie sah mein Lächeln und fragte: »Denken Sie ebenso wie ich?«
»Ja, man kann nicht wissen, was noch kommt.«
»Oder wer noch kommt«, sagte Suko.
»Das ist noch besser.«
Zunächst kam der Kellner. Wir bestellten Bier. Er hatte auch nichts anderes erwartet, stufte uns als Touristen ein und wurde etwas stutzig, als Milena ihn in der Landessprache anredete.
»Was haben Sie ihm gesagt?«
»Daß er die Krüge füllen soll.«
»Verstehe.«
»Das ist wie überall. Ich war neulich im München, habe auch in einem Biergarten gesessen. Das Wetter war wunderbar, der Garten gut gefüllt, die Krüge weniger. Aber hier bin ich zu Hause, hier kann ich mich auch beschweren.«
»Da haben Sie recht.«
Sie saß zwischen uns und tippte mich an. »Da wollte ich Sie noch etwas fragen, John und Suko.«
»Tun Sie das.«
»Mir ist eingefallen, daß Sie sich beide des öfteren rasch umgedreht haben. Rechnen Sie mit einer Verfolgung?«
»Ja.«
»Durch wen?«
Ich hob die Schultern. »Das kann durchaus über Costellos Leute geschehen. Er wird wissen, daß wir uns in Prag aufhalten und dementsprechend Vorsorge treffen.«
»Warum sollte er das?«
»Weil wir ihm ins Handwerk pfuschen könnten.«
»Und in welches, bitte?«
»Schwer zu sagen. Er will hier etwas aufbauen und wahrscheinlich auch an alte Zeiten anknüpfen, als er sich mit dem Teufel verbündet hatte. Eine schlimme, böse Allianz, sage ich Ihnen. Wahrscheinlich ist er bereit, sie wieder aufleben zu lassen. Möglicherweise stehen Cigam und dessen Sündenfall auf seiner Seite. Sie bauen für ihn vor, sie bereiten ihm das Terrain.«
»Sehr gewagt, denke ich.«
»Jetzt kommt das Bier«, sagte Suko. Er und der Kellner lenkten uns damit von den Problemen ab. Drei Krüge standen plötzlich vor uns.
Herrliche Gebilde. Feucht glänzend, weil an den Seiten noch das Wasser in kleinen Strömen herablief. Die Schaumkronen waren fest und dicht. Meine Augen glänzten wie die eines Kindes zu Weihnachten.
»Zur Gesundheit«, sagte ich voller Ehrfurcht und klemmte meine Hand in den Griff. Ein halber Liter bestes Bier, darauf hatte ich mich schon im Flugzeug gefreut.
Jetzt stand es vor mir, jetzt trank ich. Freunde, es war Genuß. Ich fühlte mich schon wie im achten Himmel, da kam der siebte nicht mehr mit. Als ich den Krug absetzte, war er zur Hälfte leer. Ich stöhnte meine Freude heraus, hörte Milenas und Sukos Lachen und sah erst jetzt, daß die beiden nichts getrunken hatten. Verwundert schüttelte ich den Kopf.
»Warum habt ihr eure Krüge nicht angefaßt? Habt ihr keinen Durst?«
»Doch, John, doch«, er redete und lachte zugleich. »Aber es war einfach zu schön, dir beim Trinken zuzuschauen. Da haben wir alles andere vergessen.«
»Stimmt.« Milena nickte.
Ich lehnte mich zurück. Die Holzbänke waren hart, aber das machte nichts. »Dann probiert es mal.«
Diesmal schaute ich zu und bekam große Augen, denn Milena schaffte beim ersten Schluck tatsächlich mehr Bier als ich. Fast leer stellte sie den Glaskrug zurück auf den Tisch.
»Oh«, sagte ich nur. »Das ist schon olympiareif.«
Die Kollegin wischte sich den Schaum von den Lippen. »Tja, mein lieber John, eine echte Pragerin schafft so etwas mit links.«
»Das habe ich gesehen.«
»Eben.«
Ich streckte meine Beine unter dem Tisch aus. »Wißt ihr, was ich schade finde?« fragte ich.
»Nein, aber ich kann es mir denken.«
»Was denn, Suko?«
»Daß wir nicht privat hier sind, um Urlaub zu machen.«
»Genau.«
Milena, die ja zwischen uns saß, verteilte ihre Arme auf unseren
Weitere Kostenlose Bücher