Cigams Sündenfall
Schultern. »Wenn wir den Fall gelöst haben, hängen Sie einfach noch drei Tage dran.«
»Wenn das so einfach wäre«, murmelte ich.
»Ich bitte Sie. Haben Sie keinen Urlaub?«
»Wenn es danach ginge«, sagte Suko, »könnten wir ein halbes Jahr hier in Prag bleiben.«
»Das reicht aus, um die Stadt kennenzulernen.«
»Aber wir haben unseren Chef.«
»Der kann ja auch kommen.«
Suko und ich lachten synchron. »Da kennen Sie ihn aber schlecht, den alten Pavian. Der wird uns was husten. Ansonsten ist er schon in Ordnung, wie wir finden.«
Milena stützte sich an der Tischplatte ab. »Lassen Sie mich mal durch, ich muß mal schauen, wie es in den keramischen Anstalten aussieht.«
»Hat man sie renoviert?« fragte ich beim Beiseitetreten.
»Ich werde es herausfinden.«
»Sie sagen dann Bescheid.«
»Gern.«
Wir schauten ihr nach, wie sie im Hintergrund des Lokals verschwand.
»Na, John, was hältst du von ihr?«
»Eine tolle Frau.«
»Finde ich auch.«
»Es lohnt sich, nach Prag zu kommen.« Ich lächelte, aber mein Lächeln zerbrach schnell, denn ich hatte plötzlich das Gefühl, als wäre ich von einem Eisschauer gestreift worden.
Ich schaute mich um.
Nichts war zu sehen.
Ich hatte mich noch nicht gesetzt und war etwa nachdenklich neben dem Tisch stehengeblieben. »Ist was?« fragte Suko.
»Ich hoffe es nicht«, murmelte ich und nahm wieder meinen alten Platz ein…
***
Auch Milena Novak fröstelte.
Es mochte daran liegen, daß sie in die kühleren Gefilde des Lokals geraten war. Die große Bierstube hatte sie passiert und ging durch einen breiten gekachelten Gang, der zu den Toiletten führte. Es lag nicht nur an der niedrigeren Temperatur, daß Milena so stark fror, es mußte auch etwas anderes sein, das sich in diesen Gang hineingeschlichen hatte.
Um dem auf den Grund zu kommen, verlangsamte sie ihre Schritte, um möglichst alle Eindrücke in sich aufnehmen zu können und dabei selbst nicht aufzufallen.
Da war die offene Durchreiche zur Küche, wo schwitzende Menschen arbeiteten. Sie konnte in einen Lagerraum schauen, in dem Fässer kunstvoll gelagert waren, sie sah auch die Vorräte in großen Kartons und Kisten, sie hörte Stimmen und wurde von einem von der Toilette kommenden Kellner angerempelt. Der junge Mann schwitzte stark, er roch sogar und trug das Haar zu einem Mozart-Zopf geflochten. »He, kannst du nicht aufpassen?!«
»Wo finde ich hier die Toilette?« fragte Milena.
»Noch ein Stück weiter, dann rechts.«
»Danke.«
Der Kellner enteilte. Mit einem Ruck hängte sie den Riemen ihrer Tasche wieder ordentlich über die Schulter und setzte den Weg fort. An der rechten Seite erschienen tatsächlich verschiedene Türen. Eine davon führte zur Damen-Toilette.
Vor dem Öffnen zögerte sie. Sie wußte selbst nicht, weshalb sie das tat.
Es mochte an dem unguten Gefühl liegen, das sich noch mehr verdichtet hatte.
Sie blickte sich um.
Es war niemand da, der sich gerade für sie interessiert hätte. Es war eigentlich verrückt, hier gab es nichts, was sie hätte beunruhigen können. Warum dann den Anflug von Panik. Lag es daran, daß sie Besuch von den beiden Geisterjägern bekommen hatte, die so ganz anders dachten und auch denken mußten als sie. Ja, das konnte es durchaus sein. Bisher hatte sie als Pragerin die alten Geistergeschichten natürlich gehört, es gab da auch keinen Unterschied zwischen den Generationen. Alle waren an den Geschichten interessiert, und doch hatte sich etwas verändert. Es war eine Bedrohung entstanden, die sie sich nicht erklären konnte.
Milena überwand ihren inneren Schweinehund und drückte die breite und auch schwere Tür auf. Wenn alle Stricke rissen und sie sich verteidigen mußte, holte sie eben die Waffe aus ihrer Handtasche.
Ein Vorraum nahm sie auf. Auch hier reichten die alten Kacheln bis zur Decke hoch. Was ihr überhaupt nicht gefiel, war der Geruch. Er hing zwischen den Wänden wie eine unsichtbare Fahne, und er widerte sie an. Sie ärgerte sich, daß er einfach überall war, sogar auf der Zunge schmeckte sie ihn. Ein Geruch von starken Desinfektionsmitteln.
Die Tür fiel hinter ihr wieder zu, und Stille umgab sie. Außer ihr schien sich niemand in dieser großen Toilette aufzuhalten. Der Raum war so tot wie eine verlassene Bahnhofshalle. Einige Waschbecken klammerten sich an den Wänden fest. Die Spiegel darüber zeigten blinde Flächen.
Schminken konnte man sich dort nicht.
Der Boden schimmerte feucht. Neben den Waschbecken
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