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Cinderella auf Sylt - Bieling, E: Cinderella auf Sylt

Cinderella auf Sylt - Bieling, E: Cinderella auf Sylt

Titel: Cinderella auf Sylt - Bieling, E: Cinderella auf Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Bieling
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den Weg zu dem geiselnehmenden Baum. Mit einem gemurmelten »Tach« schob er Inge Lohmann beiseite und verschaffte sich einen Überblick. Dann zückte er die Astschere.
    »Links hinten im Kreuz«, erklärte Major Schulze.
    Joseph nickte. »Jo, dat ham mir glich.«
    Cinderella stand abseits und verfolgte die versierten Handgriffe des Hausmeisters. Ein kräftiger Druck auf die gummibeschichteten Griffe des Gartengerätes ließ den verhängnisvollen Ast mit einem lauten Knacken zerbrechen.
    »Treffer!«, rief der Major erleichtert. »Bin wieder bewegungsfähig und werde zurücksetzen.«
    Der Hausmeister hockte sich stumm neben den Rentner, der sich durch das untere Blattwerk schlängelte. »Ich bedanke mich und werde nunmehr den Rückzug in mein Zimmer antreten.«
    Joseph Möllemann nickte dem Major zu. Inge Lohmann musterte den eigenartigen Gast. Der Ruheständler im Soldatenlook erschien ihr suspekt. »Vielleicht sollten Sie beim nächsten Mal lieber an einem dieser Geräte trainieren«, meinte sie und zeigte zum Seniorenspielplatz.
    Major Schulze winkte ab. »Seniorenübungen? Ha …« Dabei schlug er sich auf den Bauch. »Kein Gramm zu viel und alles straff, sehen Sie?«
    Inge Lohmann wies auf das Schild, das am Platzrand stand. »Ich meinte ja nur, weil dort …«
    »Alles Blödsinn. Als wenn die Alten sich auf einem Spielplatz austoben würden! Geldverschwendung ist das. PureGeldverschwendung.« Er nickte Cinderella zu, drehte auf den Absätzen um und ging.
    Inge Lohmann starrte ihm nach. Dann wandte sie sich Cinderella zu. »Was stehen Sie hier noch herum? Zimmer 211 wartet auf einen letzten Check vor Ankunft des Gastes. Ich kümmere mich derweil um 117, die Aufbettung.«

Ein charmantes Ups
    »Zimmerservice«, rief Cinderella, bevor sie mit einem Ruck die Tür aufriss. Sie hatte keine Lust, bis zum Abendgrauen durchzuarbeiten. Schließlich musste sie irgendwann Tommy abholen. Und das spätestens bis siebzehn Uhr. Auf das Verständnis von Inge Lohmann zu bauen würde gewiss wenig Sinn haben. Sie stürmte, den Servicewagen hinter sich her zerrend, ins Zimmer.
    »Ich muss doch sehr bitten«, schimpfte ein Mann, an dessen gebräuntem Körper Wasser herabperlte. Um seine Lenden trug er eines der sandfarbenen Hotelhandtücher.
    »Oh«, stammelte Cinderella, obwohl der Geruch seines Aftershaves ein donnerndes
Wow
durch ihren Kopf hallen ließ. »Entschuldigen Sie vielmals. Ich dachte, hier sei niemand.«
    »Doch ich bin hier. Und ich erinnere mich nicht, ›herein‹ gesagt zu haben.«
    »Das würde auch niemand, wenn keiner im Zimmer wäre.«
    Ein winziges Lächeln huschte über sein Gesicht. »Stimmt, Sie haben recht. Ich hätte ›Moment bitte‹ rufen sollen.«
    »Ja, hätten Sie.«
    »Tja, das wollte ich auch. Nur leider waren Sie schneller als meine Worte.«
    Cinderella senkte peinlich berührt ihren Blick. »Oh, tut mir leid.« Sie griff nach dem Wagen und schob ihn in Richtung Flur zurück.
    »Wo wollen Sie hin?«
    »Wieder hinaus.«
    »Weshalb?«
    Cinderella wippte nervös von einem Bein aufs andere. »Ich globe, ich sollte später wiederkommen.«
    »Schade.«
    »Schade?«
    »Ja, schade. Wo Sie doch einmal hier sind. Außerdem bin ich noch nie zuvor einem so hübschen sächselnden Zimmermädel begegnet.«
    Sächselndes Zimmermädel?
    »Aber … aber …«
    »Sie könnten mein WC benutzen«, unterbrach er ihre aufkommende Empörung, trat zur Seite und bestärkte sein Angebot mit einem Nicken. Cinderella riss ihre Augen entsetzt auf und schnappte nach Luft. »Wie kommen Sie nur darauf?«
    Er lachte und fuhr sich mit der Hand durchs nasse Haar. »Was? Dass Sie hübsch sind oder dass Sie dringend auf ein gewisses Örtchen müssen?
    »Das mit dem WC natürlich.«
    »Sie treten ständig von einem Bein aufs andere.«
    Das Blut in ihren Adern begann zu kochen, was unweigerlich eine Gesichtsfärbung zur Folge hatte. Wut stieg in ihr auf.
    Was glaubt dieser Kerl, wer er ist? Der allwissende König Drosselbart im Dream-Boy-Lock mit der Lizenz zum Flachlegen?
    Sie ballte ihre Hände zu einer Faust. Diese Art Männer mochte sie gar nicht. Von Typen wie ihm hatte sie die Nase voll.
    Und noch während sich Cinderella eine glamouröse Abfuhr für ihn überlegte, hörte sie hinter sich die weinende Stimme ihres Sohnes.
    »Die sind doof hier. Alle sind doof.«
    Cinderella hockte sich nieder und drückte Tommy an sich heran. Dicke Tränen kullerten über seine verschmutzten Wangen und zogen kleine Furchen hinein. Er schluchzte.

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