Cinderella auf Sylt - Bieling, E: Cinderella auf Sylt
besser.«
»Soso. Du hast ihn also nicht gefragt.«
»Das wollte ich ja, aber …« Die Tür des Liftes öffnete sich. Heraus stürmte Frau Michelson, die Kindergartenleiterin, gefolgt vom Hausmeister und einer Polizistin. »Na endlich! Da bist du ja«, schrie sie hysterisch, als sie Tommy erblickte. Cinderella schüttelte lächelnd den Kopf. »Die ganze Aufregung wegen einer stibitzten Gummimaus?«
»Von wegen. Dieser junge Mann hat quasi eine kleine Katastrophe angerichtet.«
»Ach ja, hat er?«, fragte Cinderella erstaunt.
Joseph Möllemann winkte ab. »Dat wird schon widder.« Lächelnd trat er zurück in den Fahrstuhl. »Schönen Tach noch.«
»Ebenso«, rief Cinderella hinterher. Aus irgendeinem Grund mochte sie den wortkargen Hausmeister.
Die uniformierte Dame bemühte sich ihren strengen Gesichtsausdruck zu wahren. »Hauptwachtmeisterin Schimpf«, sagte sie und reichte Cinderella die Hand. »Und du kleiner Mann bist also Tommy. Der Junge, der Frau Wegener in den Tümpel geschubst hat.«
Wegener?
Cinderella zuckte bei dem Namen zusammen. Sie hoffte, dass es eine fremde Wegener war. Eine, die nichts mit dem Hotelboss zu tun hatte. Noch mehr Ärger konnte sie wahrlich nicht gebrauchen.
Ihr Lächeln erlosch. »Frau Wegener?«, fragte sie vorsichtig.
Tommy klammerte sich an ihrem Rock fest. »Das wollte ich nicht, Mama.« Und während Frau Michelson immer noch nach Luft rang, kauerte sich die Gesetzeshüterin neben den kleinen Straftäter. »Du darfst nicht einfach aus dem Kindergarten weglaufen.«
»Muss ich jetzt ins Gefängnis?«
»Nein, natürlich nicht. Aber du versprichst, nie wieder wegzulaufen.«
»Ich verspreche es.«
»Gut, dann kann ich ja wieder gehen.«
Die Polizistin stand auf, strich Tommy über das Haar und wandte sich Cinderella zu. »Ein hübscher Bursche. Achten Sie gut auf ihn. Wir sind hier auf Sylt. Hier kommenund gehen die Menschen – wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Cinderella nickte. »Danke für den Hinweis.«
»Gerne doch. Auf Wiedersehen.«
Mittlerweile hatte Frau Michelson wieder eine normale Atmung. »Du meine Güte, hast du mich in Angst und Schrecken versetzt!«
Cinderella saß die Zeit im Nacken. Wenn sie nicht bald wieder bei der Lohmann erschien, könnte sie sich mit Sicherheit einen anderen Job suchen. »Was genau ist denn passiert?«
Die Leiterin des Kindergartens seufzte. »Die Kinder sollten schlafen gehen. Aber Tommy wollte unbedingt an der Terrassentür liegen. Dort lag aber schon Lisa, die Tochter unseres Küchenchefs. Und die wollte mit Tommy nicht tauschen. Da kam er auf die Idee …« Sie schüttelte fassungslos den Kopf.
»Was?«, fragte Cinderella ungeduldig.
»Er hat Roland eine essbare Maus entwendet, sie ins Wasser getunkt und unter Lisas Decke geworfen. Das Mädel dachte, es sei eine echte Maus. Sie ist panisch aufgesprungen und in den Garten gestürmt. Direkt in die Sandburg von Roland hinein. Der ist dann auf Tommy los …«
»Verdreschen wollte der mich. Und in den gelben Legobagger knetschen«, fuhr Tommy dazwischen.
Frau Michelson lächelte verschämt. »Ja, unser Roland ist recht aufbrausend.«
»Weshalb ist aber Frau Wegener im Tümpel gelandet?« Cinderella wippte nervös mit dem Knie hin und her. »Ach, Frau Preußer, Sie glauben gar nicht, wie schnell Tommy über den Zaun geklettert ist. Obwohl der doch eigentlich zum Schutz der Kinder da ist und für diese unüberwindbarsein sollte. Festhalten wollte ich ihn, aber er war flink wie ein Eichhörnchen …«
»Na, der dicke Roland wollte mich doch in den gelben Legobagger knetschen«, rechtfertigte Tommy sein Verhalten.
»Sei still«, ermahnte ihn Cinderella.
»Und dann kam Frau Wegener des Weges«, fuhr Frau Michelson fort.
Voller Spannung auf das katastrophale Ende hielt Cinderella den Atem an. »Und?«
»Sie wollte den kleinen Ausreißer festhalten, und – schwupps – lag sie in unserem Biotop. Die Frösche und Kröten waren so erschrocken über den unverhofften Besuch, dass sie wild auf Frau Wegener herumsprangen. Die schrie so laut vor Entsetzen, dass ein besorgter Hotelgast die Polizei rief.«
Cinderella biss sich auf ihre Lippe. »O je. Ich hoffe die arme Frau Wegener hat den Schreck überwunden.« Nach dem Wohlbefinden der Frösche traute sie sich jedoch nicht zu fragen
.
»Ja, Frau Wegener ist wohlauf. Lediglich das allwöchentliche Meeting des Hotelvorstandes musste ohne sie stattfinden. Herr Wegener war davon wenig begeistert, zumal wichtige
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