Cinderella auf Sylt - Bieling, E: Cinderella auf Sylt
von seinem Pfannkuchen gekratzt und in den Tee gerührt.
Cinderella sah entsetzt auf seine Tasse. »Was machst du da?«
»Erdbeertee«, sagte er keck. »Willst du mal kosten?«
Cinderella verzog das Gesicht. »Igitt! Das ist ja …«
»Eine neue Kreation?«, fragte Moritz lächelnd.
Cinderella schnitt eine Grimasse. »O ja! Die Welt hat darauf gewartet.«
»Auf meinen Erdbeertee?«, wollte Tommy wissen.
»Nein, Schatz! Auf Pfefferminztee mit Fruchtaufstrich.«
Moritz stand auf. »Ich schlage vor, wir helfen jetzt deiner Mama beim Abspülen. Und danach gehen wir in ein Muschelrestaurant.«
»Zur Goldenen Auster« stand über der Tür des Restaurants, in das Moritz eingeladen hatte.
Cinderella umgriff Tommys Hand fester. »Du bleibst hier«, zischte sie ihn an. Moritz schien sich auszukennen und steuerte gezielt auf den Platzkellner zu. Cinderella folgte ihm.
»Was hältst du von einem Tisch am Fenster?«, fragte Moritz. Sie nickte.
»Dann schlage ich den hinteren Vierer am Kamin vor«, entschied der Kellner und setzte sich in Bewegung. »Wenn Sie mir bitte folgen würden.« In der Mitte des Lokals hingen Fischernetze, vor denen ein Musiker auf einer Schiffskiste saß und La Paloma auf seinem Akkordeon spielte. Keiner der Gäste nahm Notiz vom ihm. Cinderella blieb stehen und betrachtete den Künstler, durch dessen Gesicht sich eine dicke Narbe zog. Gekonnt wanderten seine Hände über die Tasten des Musikinstruments. Er lächelte.
»Kommt ihr?«, rief Moritz, der mit dem Kellner am Tisch stand und darauf wartete, dass Cinderella zuerst Platz nahm. Leichtfüßig huschte sie mit Tommy an den speisenden Gästen vorbei. Einige blickten auf. Andere hatten nur Augen für die Speisen auf ihrem Teller.
Kein Wunder,
dachte Cinderella. Drei Miesmuscheln auf einer öligen Soße mit Blattgrün, davon konnte wahrlich niemand satt werden.
»Gibt es auch Krabbenburger?«, fragte Tommy im guten Glauben an ein herzhaftes Essen.
Der streng dreinblickende Kellner überhörte die anmaßende Frage nach einem Fastfood-Gericht und half Cinderella, Platz zu nehmen. Moritz setzte sich ihr gegenüber. Er blickte sie fragend an. »Und? Wie findest du es?«
»Ich …«
O Gott, was soll ich sagen? Eine Currywurst wäre mir lieber gewesen?
Ihre Augen huschten durchs Restaurant. »Ich denke, dass es für Touristen und Feinschmecker ein empfehlenswerter gastronomischer Ort ist.«
Moritz griff nach ihren Händen. »Ich will keine allgemeine Einschätzung. Ich will wissen, wie du es findest.«
»Tja, was soll ich sagen? Eine extravagante Location für Austernfans. Und eine gute Möglichkeit, vielleicht eine Perle zu finden?«
»Wer weiß«, erwiderte Moritz lächelnd.
Tommy zeigte zum Musiker. »Ich finde den Seeräuber gut.«
Moritz blickte zum Musiker und schmunzelte. »Das ist kein Seeräuber, sondern ein Seemann mit Schifferklavier.«
Tommy nickte. »Ja, den finde ich cool.« Er hielt Moritz eines der Funkgeräte hin. »Können wir spielen?«
Moritz schüttelte den Kopf. »Nein! Später! Pack es weg!«
Tommy klopfte mit dem Funkgerät von unten gegen den Tisch. »Hör auf«, schimpfte Cinderella und griff danach. Dabei fiel es zu Boden.
Tommy sprang vom Stuhl und hob es auf. »Du hast es kaputt gemacht«, fluchte er.
»Blödsinn! Hab ich nicht.«
»Doch! Der Knopf hängt fest.«
»Dann hättest du ihn nicht reindrücken sollen.«
»Musste ich aber …«
»Schluss jetzt«, mischte sich Moritz ein. Er griff nachdem Funkgerät und legte es beiseite. Dann faltete er seine Hände. »Hast du es fertig bekommen? Das Kleid für deine Vermieterin.«
Cinderella schüttelte den Kopf. »Noch nicht ganz.« Ihre Augen glänzten. »Aber heute Nacht! Da wird es vollkommen sein!«
Nachdem Cinderella alle Speisen der Karte, inklusive der nicht zu verachtenden Preise, überflogen hatte, entschied sie sich für eine Austernsuppe auf gebackenem Kürbiskernbrot.
Tommy rebellierte. »Ich will aber diese Steindinger nicht.«
»Austern«, berichtigte Moritz. »Probier sie wenigstens.«
»Nee! Ich will Pizza oder Krabbenburger.«
»Gut! Aber die wirst du hier nicht kriegen.«
Tommy verschränkte bockig seine Arme, während Moritz den Kellner heranwinkte. »Wir hätten gern …«
Cinderellas Handy klingelte. Alle ringsum starrten entsetzt. Auch Moritz und der Kellner, dessen Garderobe dem Federkleid eines Pinguins glich.
Was habe ich getan? Warum gucken die so?
»Preußer hier«, murmelte sie, peinlich von den Blicken berührt,
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