Cinderella auf Sylt - Bieling, E: Cinderella auf Sylt
winkte ihnen damit zu. »Ach, Joseph, könnten Sie vielleicht danach mal schauen?«
Der Eifeler trat näher und beäugte Tommys Spielzeug. »Wat is domit?«
»Runtergefallen ist es mir, und seitdem funktioniert dieser Knopf nicht mehr.«
»Jo! Dat ham mer glich.« Er wühlte in seiner Jackettasche, konnte aber das passende Werkzeug nicht finden.
»Das hat doch Zeit«, sagte Cinderella. »Hauptsache, es funktioniert wieder und Tommy gibt Ruhe.«
»Jo! De Elsbeth brengt et später.« Er steckte es ein und umarmte sie. »Mach et jot.«
Kurz darauf kam Tommy angelaufen. »Wo ist die zweite Funke?«, fragte er auf den Tisch blickend.
»Die hat Joseph mitgenommen, um sie zu reparieren.«
»Prima! Dann kann ich ihm dabei zuhören?«
»Hä? Wie das?«
Tommy griff zum funktionstüchtigen Walkie Talkie und drehte den Lautsprecher auf Maximum. »Hörst du?«
»Tommy! Schäm dich! Sowas tut man nicht. Moment mal, ist das Moritz?« Cinderella presste ihr Ohr ans Gerät.
»Ja! Der redet mit Joseph. Draußen bei den Klos.«
»Wieso? Die kennen sich doch gar nicht?«
Tommy zuckte mit den Schultern. »Weiß nicht. Guck mal, mein Serviettenflugzeug …«
»Pst! Sei mal still!«
»…, jedenfalls danke ich Ihnen, dass Sie eben nichts gesagt haben. Auch wenn das für Sie gewiss alles unverständlich ist, aber was sollte ich denn tun? Sie kennen doch meinen Vater und wissen, dass er mich immer unter die Haube bringen wollte. Sein Sohn ein Single und Herumtreiber? Nein! Dutzenden gutsituierten Damen hat er mich vorgestellt, bis ich irgendwann keine Lust mehr hatte, mir die Zeitung griff und mit geschlossenen Augen auf eine der Kontaktanzeigen getippt habe. Die sollte es sein …«
Was? Er hat …
»Mach es aus!«
Tommy sah Cinderella verdattert an. »Warum?«
»Tue es einfach!« Cinderella unterdrückte die aufkommenden Tränen.
Moritz
–
ein Lügner und Betrüger?
Das wollte sie nicht glauben. Aber es war Realität. Ein tiefgreifender Schmerz bohrte sich durch jeden Zentimeter ihres Herzens. Wieso hatte sie es nicht bemerkt?
»Komm Tommy, wir gehen!«
»Und Moritz?«, fragte er vorsichtig.
»Den gibt’s nicht mehr!« Cinderella nahm ihre Tasche und hastete zum Ausgang, wo Moritz ihr entgegenkam.
»Sucht die Prinzessin etwa das stille Örtchen?«, fragte er lachend. Cinderella schob ihn beiseite und schüttelte enttäuscht den Kopf. »Spar dir dein Theater! Die Show ist vorbei! Ich will dich nie wiedersehen!«
Tommy, der langsam mit gesenktem Kopf angeschlurftkam, blickte im Vorbeigehen traurig zu Moritz auf. »Darfst du jetzt nicht mehr mit mir spielen?«
Moritz zuckte verwirrt mit den Schultern. »Was soll das alles? Was ist überhaupt los?«, rief er hinterher. Aber Cinderella zerrte Tommy wortlos nach draußen.
Lügen haben braune Augen
Cinderella hatte die Türklingel abgestellt und das Handy ausgeschaltet. Sie wollte Moritz weder sehen noch mit ihm reden. Nie mehr! Viel zu tiefgreifend war die Verletzung, die sie davongetragen hatte.
Dieser elende Narr!
Wusste er denn nicht, dass ihre Liebe etwas Besonderes war? Stark genug für die Ewigkeit, hatte Cinderella ihm ins Ohr gehaucht, bevor er sich entschied, jene Nacht zu bleiben. Und nun saß sie weinend vorm schönsten Brautkleid, das sie je geschaffen hatte, und vernähte die letzten Perlen. Dicke Tränen kullerten aus ihren verquollenen Augen über die geröteten Wangen hinweg hinunter aufs Kleid. Und so sehr sie auch wollte, sie konnte nicht aufhören, an ihn zu denken. Immer wieder tauchten die Bilder der vergangenen Tage in ihrem Kopf auf. Fast wie ein Film, der nicht zu stoppen war.
Warum?,
fragte sie sich immer wieder. Doch eine Antwort fand sie nicht. Cinderella ging zum Fenster und öffnete es. Die Nacht war ungewöhnlich ruhig. Sogar das Meer, dessen Wellen sonst rauschend ans Ufer schwappten, hüllte sich in Schweigen.
Ach Sylt! Ist das der Traum, den ich leben soll? Eine unwahre Liebe auf Zeit?
Am Horizont war ein schwacher Lichtschein zu erkennen, der sich zunehmend in wundervolles Orange färbte. In weiter Ferne schrie eine Möwe.
Leb wohl, meine Trauminsel!
Tommy saß im Bett und kaute auf Lumpis Ohr herum.
»Magst du nicht aufstehen?«, fragte Cinderella.
»Nein«, sagte er, ohne aufzublicken.
»Dann bleib im Bett. Ich bringe dir gleich ein Wurstbrot.«
»Hab keinen Hunger.«
»Du musst aber etwas essen, bevor wir fahren.«
»Zu Moritz?«, fragte er mit leuchtenden Augen.
»Nein! Wir gehen zurück. Zurück nach
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