Cinderella undercover
Duft nach Papier und Holz, den ich so sehr liebte, die vielen schönen Bücher, die ausgestellten Bilder, die künstlerische Atmosphäre – das alles war einfach paradiesisch.
»Magst du einen Tee?«, fragte Daniel und ich nickte.
Während er in der Personalküche herumwerkelte, breitete ich die Titel, die mich interessierten, auf dem Lesetisch aus und blätterte sie durch. »So, nun bringe ich dir zur Abwechslung mal was«, lächelte Daniel und stellte ein Tablett auf den Tisch. Aus der Kanne dampfte der Tee, auf einem Tellerchen lagen lecker aussehende Schokoladenkekse. »Das nenne ich mal Service. Pass auf, sonst gewöhne ich mich womöglich noch an diese Sonderbehandlung.«
»Interessierst du dich aus einem speziellen Grund für Street-Art?«, wollte Daniel wissen und schenkte uns beiden Roibusch ein.
»Ich wollte mich ein bisschen inspirieren lassen, weil ich für einen Freund Motivschablonen zeichnen will.«
Daniel betrachtete mich aufmerksam. »GG ist Modedesigner«, fügte ich erklärend hinzu.
»Du kannst also zeichnen und interessierst dich offenbar für Kunst, da haben wir beide ja schon eine Menge gemeinsam.«
»Du zeichnest auch?«, fragte ich begeistert.
»Zumindest für den Hausgebrauch. Ich studiere auf Lehramt und möchte Kunst, Deutsch und Philosophie unterrichten. Für die Kids reicht mein Talent hoffentlich.«
Oh Mann, da war es wieder, dieses sensationelle Lächeln. Irgendwie verwegen und sexy zugleich.
»Willst du denn nicht in das Geschäft deines Vaters einsteigen? Was wird denn später aus der Buchhandlung, dem Verlagshaus und dem Kultur-Festival?«
»Die Buchhandlung wird wahrscheinlich mein jüngerer Bruder Anton übernehmen, das CLC-Festival wird von mir organisiert und das Verlagshaus von einem Geschäftsführer geleitet werden. Aber darüber müssen wir eigentlich noch nicht nachdenken. Mein Vater hat nicht vor, schon so bald in Rente zu gehen«, fügte Daniel mit einem Grinsen hinzu.
»Stimmt, er sieht auch noch ziemlich jung aus.«
»Woher kennst du meinen Dad?«, fragte Daniel verwundert und legte den Kopf schief, wie La Perla es auch immer tat.
»Ich habe ihn neulich getroffen, als deine Eltern bei der Ballettaufführung in der Laeiszhalle waren. Du warst übrigens auch da…« Sorry, aber diesen kleinen Seitenhieb konnte ich mir wirklich nicht verkneifen.
»Ballett… Ballett«, wiederholte Daniel, sichtlich überfordert. »Ach ja, stimmt. Wir haben uns da am Sektstand mit einer der Tänzerinnen unterhalten. Und da warst du auch dabei?«
»Ich bin die beste Freundin der Tänzerin und stand die ganze Zeit neben ihr.« Oh, oh, jetzt wurde Daniel ziemlich rot.
»Du musst mich ja allmählich für einen kompletten Volltrottel halten«, sagte er schließlich betreten.
»Na ja…«, antwortete ich und genoss es, den Rest des Satzes ungesagt im Raum hängen zu lassen.
»Okay, Cynthia. Wenn das alles so ist, würde ich vorschlagen, dass wir jetzt noch mal ganz von vorne anfangen. Ich bin Daniel Petersen und freue mich sehr, dich kennenzulernen.«
»Und ich bin Cynthia Aschenbrenner und freue mich auch.«
»Dann also weiterhin auf gute Nachbarschaft!«
»Auf gute Nachbarschaft«, wiederholte ich und wir prosteten uns mit den Tee-Bechern zu.
»Gibt es sonst noch etwas, das ich über dich wissen sollte? Ich kenne deinen Namen, ich weiß, dass du in der ›Ersten Liebe‹ jobbst und für einen Modedesigner auf Motivsuche bist. Außerdem bist so eine Art Stiefschwester von Felicia, richtig?«
»Geht doch«, lächelte ich und freute mich wie ein kleines Kind, dass endlich mal ich am längeren Hebel saß. »Ja, ich wohne mit Felicia und ihrer Schwester zusammen, seit mein Vater und ihre Mutter Stephanie beschlossen haben, Patchwork-Familie zu spielen.«
»Das klingt ja nicht gerade begeistert.«
»Nee, das bin ich auch nicht. Felicia wird dir sicher erzählt haben, dass es nicht besonders gut zwischen uns läuft.«
»Hat sie nicht, aber das ist natürlich blöd, wenn es so ist. Sind deine Eltern denn geschieden?«
Ein feiner Schmerz durchzuckte mich, als ich an Mama dachte und mir einfiel, dass ich sie seit fast zwei Wochen nicht mehr besucht hatte. »Meine Mutter ist vor einem Dreivierteljahr gestorben«, flüsterte ich und versuchte, meine Gefühle durch das Knabbern eines Kekses unter Kontrolle zu bringen.
»Oh, das tut mir leid. Das muss für deinen Vater und dich sehr, sehr schwer sein.«
»Danke, das ist lieb. Aber lass uns jetzt bitte von etwas anderem reden.
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