Cinderella undercover
in Arm mit Paule, die an seinen Lippen hing. Verfolgt wurden die beiden von giftigen Blicken aus Enricos dunkelbraunen Augen.
»Tja, keine Ahnung… vielleicht ein paar tolle Motive für deine Shirt-Kollektion entwerfen?«, antwortete ich.
GG lächelte vielsagend: »Na, das klingt doch nach einem Deal, würde ich sagen. Das Motto wird übrigens lauten: Free your mind! Meinst du, du kannst mit diesem Slogan etwas anfangen, Liebchen?«
19.
Am nächsten Tag saß ich im Atelier, grübelte und notierte ein paar Begriffe, die mir für GGs Mode-Kollektion einfielen:
Wandlung
Freiheit
Metamorphose
Häutung
Enthüllung
Ausbruch
Befreiung
Passend dazu skizzierte ich verschiedene Motive auf meinem Zeichenblock: Schmetterling, Luftballon, Vogel, offener Käfig, Pusteblume, Schaukel, Flugzeug, Engelsflügel, der rote Stern, der mittlerweile unzählige Che-Guevara-Caps und -T-Shirts schmückte…
»Na, das sieht doch schon ganz gut aus«, freute sich GG, der soeben mit zwei Coffee to go hereingekommen war und mir einen Becher sowie ein belegtes Brötchen unter die Nase hielt.
»An sich finde ich ja das Motiv des fünfzackigen Sterns ganz schön, aber leider auch schon total abgenudelt…«, antwortete ich und zeichnete gedankenverloren weiter. »Man müsste ihn mit irgendetwas verbinden, wodurch seine Symbolik verändert wird und die Grundaussage trotzdem gleich bleibt.« Während ich dies sagte, scribbelte ich, wie von Zauberhand geführt, links und rechts neben die Zacken zwei Flügel, wie ich sie auf meinem Engelbild gemalt hatte.
»Das ist ja oberhammergeil!«, schrie GG und verschüttete vor Aufregung beinahe den Kaffee über meinem Block. »That’s it, baby, das ist cool! Aber auch die anderen Motive sind toll. Simpel, aber wirkungsvoll.«
Ich dachte nach. »Was hältst du davon, wenn wir nicht nur das Symbol selbst aufs Shirt drucken, sondern auch die Umrandung der Motivschablone, inklusive der Spray-Spuren?«, schlug ich mit klopfendem Herzen vor. »Ich habe so was zwar bisher noch nie gemacht, aber ich würde es gern mal versuchen.«
»Das wird ja immer besser«, jubelte GG und tänzelte aufgeregt um meinen Tisch herum.
»Okay, dann besorg ich gleich Montag die notwendigen Utensilien und lege los.«
GG grinste schon wieder über beide Bäckchen, die heute immer noch unrasiert waren, was ihm fantastisch stand. »Das klingt ja, als würde da gerade eine kleine Sprayerin in dir erwachen. Steht der lieben Cynthia etwa auch eine persönliche Metamorphose bevor?«
Gernots Worte beschäftigten mich immer noch, als ich am späten Nachmittag nach Hause fuhr, weil dort noch Mathe – und diverse andere Hausaufgaben – auf mich warteten. Ich fand nicht zum ersten Mal, dass Schule irgendwie überflüssig war.
Und ich dachte an Daniel…
Von Sehnsucht geleitet nahm ich den kleinen Umweg über Petersen & Lachmann und riskierte einen Blick durchs Schaufenster. Dort war alles dunkel, nur ganz hinten schimmerte ein wenig Licht. Da ich aus der Distanz nicht erkennen konnte, ob Daniel im Laden war, beschloss ich, besser nach Hause zu gehen und mich auf die morgige Klassenarbeit vorzubereiten. Bevor ich aber überhaupt anfangen konnte, rief Pauline an. Sie klang total aufgedreht: »Leopold ist ja soooooo süß«, fing sie sofort an, mir ins Ohr zu quasseln. »Und er sieht sooooo gut aus. Außerdem interessiert er sich für Ballett, ist das nicht toll?!«
»Tja, so ist das mit den lieben Schwuppen. Sie empfinden wie wir, sie interessieren sich für dieselben Dinge wie wir, sie sehen meist gut aus und sie sind süß. An sich die perfekten Männer, wenn da nur nicht diese eine Sache wäre… tja…«
»Schade, schade, schade«, stimmte nun auch Paule in mein Seufzen mit ein. »Aber wenigstens hat Enrico nichts geschnallt und ist gestern vor Eifersucht beinahe geplatzt. Er hat seit heute Morgen schon zehnmal versucht, mich zu erreichen, aber ich bin natürlich nicht rangegangen. Bist du jetzt stolz auf mich?«
»Ja, Paule, ich bin total stolz. Ich wäre aber noch viel stolzer, wenn du jetzt nicht gleich wieder auf ihn reinfällst. Der wird sich nicht auf einmal ändern, nur weil ihm gerade klar wird, was ihm entgangen ist.«
»Meinst du nicht?«
»Nee, das meine ich eher nicht!«
Nachdem wir noch eine Weile über die gestrige Party gequatscht und uns gefreut hatten, dass Louisas Racheplan aufgegangen war, machte ich mich widerwillig an meine Mathe-Lektion. La Perla schien es langweilig zu sein, denn er flatterte aufgeregt
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