Cinderella undercover
Sportstudio-Theorie. »Entschuldigt mich einen Moment, Leute, ich hab was vergessen«, murmelte ich und stand auf. Aber scheinbar interessierte das sowieso niemanden.
Auch Kristen schlief noch halb, also hatte ich freie Bahn.
Auf Zehenspitzen schlich ich in Richtung Felicias Zimmer und öffnete leise die Tür.
Anschließend umrundete ich zweimal das Bett, das verdächtig ordentlich aussah – sogar die Tagesdecke war kunstvoll drapiert.
Das Problem war nur, dass ich überhaupt nichts über Felicias Gewohnheiten wusste. Verhielt sie sich nur außerhalb der eigenen vier Wände so schlampig und war in Bezug auf ihre eigenen Sachen eine Ordnungsfanatikerin? Oder war das säuberlich gemachte Bett das Werk der netten Frau Werner, die gestern bei uns geputzt hatte?
Das würde ja bedeuten – ich wagte kaum, diesen Gedanken zu Ende zu denken –, dass Felicia heute Nacht überhaupt nicht nach Hause gekommen war…
»Nicht nach Hause gekommen, Schlampe! Nicht nach Hause gekommen, Schlampe!«, kreischte es plötzlich über mir. Offenbar hatte ich Selbstgespräche geführt. »Halt den Schnabel, La Perla!«, zischte ich und versuchte, so furcht- erregend wie nur möglich auszusehen. Doch der Beo dachte nicht im Traum daran zu gehorchen und wiederholte den Satz, den er gerade neu gelernt hatte, in voller Lautstärke.
»Was ist denn hier los?«, fragte Kristen belustigt. Sie stand auf einmal hinter mir und war mittlerweile anscheinend hellwach. »Ich… ich… wollte mir mal anschauen, was Felicia für eine Tagesdecke hat«, stotterte ich verzweifelt. »Ich brauche nämlich auch eine und alle, die ich bisher gesehen habe, waren so…«
»Felicia war heute Nacht zu Hause, keine Sorge. Sie ist zwar erst ziemlich spät gekommen, so gegen halb vier, aber sie hat hier geschlafen«, erklärte Kristen, die meine Aktion kristallklar durchschaut hatte. »Na, wenn das so ist«, murmelte ich. »Danke für die Info!« Ohne sie noch einmal anzusehen, schlüpfte ich schnell aus dem Zimmer, gefolgt von La Perla, dem ich in diesem Moment ausnahmsweise mal gerne den Hals umgedreht hätte.
Andererseits hätte ich ohne seinen Kreischalarm auch nicht erfahren, dass Felicia nicht wie befürchtet die Nacht bei Daniel verbracht hatte.
Allerdings wusste ich immer noch nicht, warum es so dermaßen spät geworden war und was die beiden die halbe Nacht gemacht hatten. Und war Felicia wirklich so früh aufgestanden, nur um ins Fitnesstudio zu gehen?
21.
Turnschuhe (um schnell weglaufen zu können)
Kapuzenshirt & Cap (ich möchte ja nicht erkannt werden)
Digitalkamera (denn Street-Art-Kunst ist vergänglich)
Schablonen (mein badge-Motiv, Shirt-Motive für GGs Kollektion)
Molotow-Sprühdosen (Silber, Schwarz, Rot, Pink)
Stencil Cap (als Aufsatz für die Spraydose)
Cold-sweat-on-the-run–Marker (für kleinere Details)
Atemschutzmaske (meine Lunge ist mir heilig!)
Schutzhandschuhe (meine Hände auch)
Tasche (um den ganzen Kram zu transportieren)
Fahrrad (um noch schneller flüchten zu können)
Hatte ich noch etwas vergessen?
Ich starrte auf den Notizblock.
»Cynthia, are you still with us?«, fragte Mister M und grinste. Louisa trat mich unterm Tisch gegen das Schienbein.
Ich antwortete: »Of course!«, und hoffte, dass ihm das als Antwort genügen würde. Zum Glück fuhr Marcus Mohrmann ohne weiteren Kommentar mit dem Englisch-Unterricht fort.
»Was hast du denn vor? Ich hab auf deinem Zettel irgendwas von Schutzmaske gelesen«, fragte Louisa in der ersten großen Pause und sah mich dermaßen durchdringend an, dass mir nichts anderes übrig blieb, als ihr die Wahrheit zu sagen. Ich erzählte von GGs Plan, demnächst nachts kleinere Spray-Aktionen durchzuführen. »Sag mal, spinnst du?«, fauchte sie und zerrte mich in eine abgelegene Ecke unseres Pausenhofs – vermutlich um zu vermeiden, dass schon jetzt irgendjemand Zeuge meiner illegalen Pläne wurde. »Dafür kannst du verhaftet werden, in den Knast wandern, eine Vorstrafe oder hohe Geldbußen bekommen oder wer weiß was noch alles…«
»Nun komm mal wieder runter«, versuchte ich, eher mich selbst als sie zu beruhigen. Natürlich war auch mir vollkommen klar, dass das Sprayen in der Stadt juristisch betrachtet als Beschädigung öffentlichen Eigentums galt.
Genau deshalb hatte ich ja auch mit GG vereinbart, dass wir weder Hauswände noch Eingänge noch Garagentore besprühen würden. Ich wollte schließlich kein Eigentum zerstören, sondern lediglich eine große Baustelle mit meinen
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