Cinderella undercover
oder Jungs steht.«
»Oh mein Gott, wir sind echt dumm wie Brot«, kreischte nun auch Paule los und bekam einen Lachanfall. »Das darf man echt keinem erzählen.«
»Nee, besser nicht«, antwortete ich und fing übergangslos an zu heulen. Die Vorstellung, dass Daniel eine Freundin hatte, machte mich wirklich total fertig.
22.
»Na? Startklar?«, fragte mich GG am Samstag und musterte mein Outfit. »Liebchen, du siehst aus wie eine Sprayer-Göttin, einfach hinreißend!«
»Findest du?«, fragte ich und betrachtete mich im Spiegel von GGs Atelier. Das coole, neue Kapuzenshirt mit den langen Ärmeln, das er mir zu diesem Zweck genäht hatte, die abgeranzte Baggy-Jeans, die mir sprichwörtlich in den Kniekehlen hing, und der schwarze Trilby -Hut im Justin-Timberlake-Style sahen wirklich ziemlich hip aus. »Schade nur, dass es niemand sehen wird, weil es so dunkel ist«, kicherte ich nervös und probierte zum x-ten Mal die Atemschutzmaske aus. »Mit dem Ding könnte ich glatt in diesem Viren-Thriller mitspielen. Wie hieß der noch mal?«
»Outbreak – Lautlose Killer«, antwortete GG und schoss ein paar Fotos von mir. Dann legte er die Digitalkamera beiseite und bekreuzigte sich unvermittelt.
»Damit wir heute Nacht unter Gottes Schutz stehen«, erklärte er auf meinen verwunderten Blick hin. Aha! Deshalb also der Ohrstecker in Kreuzform und der Marien-Anhänger an der Kette.
Der sonst so coole GG war also tatsächlich gläubig! »Wo fangen wir eigentlich an?«, fragte ich und versuchte, das Zittern meiner Hände unter Kontrolle zu bringen. Als ich gestern die Sprayer-Utensilien besorgt und die Schablonen vorbereitet hatte, war ich vergleichsweise ruhig gewesen, aber jetzt…
»Ich denke, es ist ganz gut, wenn wir zum Üben erst mal in diesem Viertel bleiben. Hier weiß ich am besten, wann und wo mit Polizei zu rechnen ist und wem ich vertrauen kann.«
»Okay, dann mal los. Auf in dein Revier«, entgegnete ich – stolz darauf zu wissen, dass die Viertel, in denen die Sprayer ihre Aktionen durchführten, Revier genannt wurden.
Ich schaute auf die Uhr, es war kurz nach drei.
Um halb zwei hatte ich mich aus der Wohnung geschlichen, zu meiner großen Erleichterung unbemerkt von La Perla, was geradezu an ein Wunder grenzte. Der Beo hatte tatsächlich brav unter der Decke in seinem Käfig weitergeschlafen, als ich auf Zehenspitzen meine Sachen zusammengesucht hatte und schließlich Richtung Wohnungstür geschlichen war. Aus dem Schlafzimmer von Paps und Stephanie hatte man deutlich das Geschnorchel meines Vaters gehört (wie hielt Stephanie das nur aus?). Felicia war mal wieder unterwegs, nur durch Kristens Türschlitz hatte Licht geschimmert.
Fünf Minuten später hatte ich unbemerkt das Haus verlassen und mich mit meinem Rad auf den Weg zu GGs Atelier gemacht.
Wir waren schon eine ganze Weile die Lange Reihe in Richtung Alster hinuntergefahren, als GG plötzlich stoppte und auf einen Elektrokasten deutete, der tatsächlich noch unbemalt war. »Wie wär’s damit, als kleines Warm-up?« Ich nickte, lehnte das Rad an einen Baum, schloss es aber nicht ab, um notfalls sofort abhauen zu können. GG machte es genauso. Als mir klar wurde, dass es jetzt gleich losgehen würde, fingen meine Hände wieder an zu zittern und mir wurde ganz schwindelig und auch ein bisschen schlecht.
War das jetzt eine Panikattacke?
»Soll ich erst mal probehalber den Slogan sprühen oder gleich mit einem Motiv anfangen?«, fragte ich mit brüchiger Stimme, während mein Herz so schnell schlug, dass ich den Puls spüren konnte. »Mit dem Slogan, ich würde nämlich echt gern sehen, wie das wirkt«, antwortete Gernot, der sich schon seit Tagen über die Vorstellung freute, dass alle Hamburger irgendwann auf die Zeile Free your mind! aufmerksam werden würden. Er erhoffte sich davon einen kostenlosen Werbeauftakt für seine Sommerkollektion. Mir persönlich wäre das viel zu riskant gewesen, weil so jedem früher oder später klar sein würde, dass GG hinter den Spray-Aktionen steckte. »Wenn ich in den Knast wandere, aber dafür viele Käufer für meine Sachen gefunden habe, ist es mir die Sache ehrlich gesagt wert«, hatte er schulterzuckend gesagt, als ich ihn auf dieses Risiko aufmerksam gemacht hatte.
»Okay, go for it!«, feuerte GG mich an, als ich mir die Maske vors Gesicht zog und anfing, den ersten Schriftzug in Gold auf den Elektrokasten zu sprühen.
Danach sprayte ich einen knallroten Luftballon in Herzform. Als Letztes kam
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