Cinderellas letztes Date
bist so brav und vernünftig“, meinte Ruby. „Wenn du fünfunddreißig bist, wirst du bereuen, dass du nie richtig einen draufgemacht hast.“
„Bis dahin habe ich noch eine Menge Zeit zu feiern und Blödsinn zu veranstalten.“
„Stimmt. Aber wann fängst du endlich damit an?“
Clarissa lächelte und schwieg. Sie öffnete die Badezimmertür und stieß sie Rubys Mitbewohnerin Emma, die bereits ungeduldig vor dem Bad wartete, in die Seite.
„Tut mir leid“, entschuldigte sich Clarissa.
„Was? Dass du versuchst, mir die Rippen zu brechen? Oder dass ihr endlos das Bad blockiert habt?“, fragte Emma ungehalten. „Auch andere Leute wollen auf die Party des Jahres.“ Sie wartete weder Clarissas noch Rubys Antwort ab, sondern schob sich ins Badezimmer.
„Party des Jahres?“ Clarissa hob erstaunt die Augenbrauen.
„Ich hab’s dir gesagt. Die Blue Marlins organisieren das Fest. Und wie immer, wenn das Uni-Football-Team feiert, ist der Teufel los.“
„Grüß den Teufel, wenn du ihn siehst, und erzähl mir morgen, wie’s war.“
„Ich geb’s auf.“ Ruby verdrehte die Augen. „Du wirst noch als alte Jungfer sterben.“
„Damit kann ich leben.“ Clarissa ging in Rubys Studentenwohnheimzimmer, das sie sich mit Emma teilte, nahm ihren eleganten weißen Mantel von der Garderobe und zog ihn an. „Ich begleite dich noch nach draußen.“
Zusammen verließen sie das Wohnheim. Ruby studierte Englisch auf Lehramt an der New Jersey State University in ihrem Heimatort Ashbury und wohnte direkt am Campus. Clarissa besuchte die private Kunsthochschule und lebte in deren Studentenwohnheim am anderen Ende der Stadt.
„Soll ich dich noch bei Mom und Dad vorbeifahren?“ Ruby schwang sich auf ihr Motorrad, eine gelbe Suzuki, das vor dem Eingang des Studentenwohnheims parkte.
Clarissa schüttelte den Kopf. „Nein, du hast nur einen Helm. Außerdem will ich mir weder den Mantel versauen noch die Frisur verderben.“
„Du bist so eine Tussi“, zog Ruby ihre Schwester auf.
„Motz ruhig weiter, Alarmmädchen.“ Clarissa lächelte gelassen. „Ich bestelle Mom und Dad Grüße von dir.“
„Mach das. Und bitte Mom, für morgen Nachmittag eine Erdbeertorte zu backen. Nach einer langen Partynacht werde ich darauf richtig Heißhunger haben.“ Ruby ließ den Motor ihrer Enduro aufheulen. „Kommst du auch zum Kuchenessen?“
„Klar. Hab ich jemals unsere sonntägliche Kaffeerunde versäumt?“
„Nein. Ich frag mich, wieso du überhaupt von zu Hause ausgezogen bist, wenn du eh fast jeden Tag da bist.“
„Ich liebe eben Mom und Dad … und dich auch.“ Clarissa umarmte ihre Schwester. „Viel Spaß auf der Party.“
„Viel Spaß beim Schlafen.“ Ruby zog Clarissa an einer Haarsträhne und grinste. „Bis morgen dann.“ Sie setzte ihren Helm auf und gab Gas. Während sie in Richtung Downtown fuhr, wo die Mega-Party im Club „Exil“ stattfand, sah sie im Außenspiegel, dass Clarissa ihr hinterherschaute und winkte. Ruby winkte zurück. Dann musste sie abbiegen, und ihre Schwester verschwand aus ihrem Blickfeld.
Ruby seufzte. Schade, dass Clarissa nie mit auf Partys ging. Sie könnten so viel zusammen erleben. Aber ganz egal, mit welchen Tricks Ruby versuchte, ihre Schwester aus dem Haus zu locken. Sie scheiterten alle. Clarissa war und blieb ein Stubenhocker. Sie lernte artig, bekam exzellente Noten und empfand es als soziales Highlight, mit ihren Eltern und ihrem großen Bruder Brad auf Vernissagen oder in klassische Konzerte zu gehen.
Schon bei dem Gedanken an Wagners Walküren oder Picabias Malerei konnte sie vor Langeweile einschlafen. Sie freute sich auf das Fest der Blue Marlins im „Exil“. Es würde brechend voll werden. Schließlich gab es in Ashbury drei Hochschulen, und alle Studenten wussten von dem Ereignis.
Seth Deveraux, Quarterback der Blue Marlins und Organisator der Party, hatte den Resident-DJ Rough des hippen New Yorker „Buddha“-Clubs angeheuert. Außerdem war es ihm gelungen, den Eigentümer der lokalen Brauerei – der ein großer Football-Fan war und die Blue Marlins sponserte – zu überreden, hundert Fässer Freibier zu spendieren. Zudem bezahlte ein unbekannter Gönner knapp bekleidete Gogo-Tänzer und -Tänzerinnen dafür, dass sie in Gitterkäfigen auftraten. Klang vielversprechend. Ruby lächelte erwartungsvoll. Vielleicht lernte sie endlich ihren Traumjungen kennen.
Als sie am „Exil“ vorfuhr, bildete sich vor dem Eingang bereits eine lange Schlange. Sie
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