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Circulus Finalis - Der letzte Kreis

Circulus Finalis - Der letzte Kreis

Titel: Circulus Finalis - Der letzte Kreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tarek Siddiqui
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Grundgedanke kommt mir in den Sinn: der individuelle Geist ein Fenster, durch das der Schein ein und desselben Lichtes fällt.
    Vielleicht sind wir nur Tö ne in einer Musik, die für einen Moment schwingen, dann verklingen, die aber gemeinsam eine Sinfonie ausmachen. Vielleicht wird die Musik erst hörbar, wenn man an der Grenze steht. Bachs Präludium C-Dur aus dem Wohltemperierten Klavier : was wäre von seiner Klarheit, von seiner aufgelösten Spannung übrig, wenn die Töne über die ihnen gemäße Zeit hinaus andauern wollten? Nur ein eitles Brausen.

    Ich lese diesen letzten Absatz, und weiß schon nicht mehr, ist das jetzt der Geschichtenerzähler, der zu sich selbst spricht, der seine eigene Erfindung nicht mehr erkennt und sich von ihr trösten lässt? Aber ist es verwerflich, etwas Tröstliches vorzuziehen, da, wo man nicht weiter weiß und weiter wissen kann?
    Sol ange ich schreibe, lebe ich. Aber es gibt nichts mehr aufzuschreiben.
    Ich werde jetzt warten.

41
    Menschen sind nicht einfach nur verschieden; sie sind auf unterschiedlichste Weise merkwü rdig. Metz zum Beispiel: Ich glaube, er wäre gerne großzügig gewesen, war es aber im Grunde seines Wesens nicht; immer wieder scheiterte er an Kleinigkeiten, vielleicht weil er letztlich um seiner selbst willen großzügig sein wollte und nicht zum Wohle anderer. Und wenn er schon so nicht sein konnte, dann, so hatte er sich vielleicht entschieden, würde er etwas ganz anderes versuchen.
    Metz war das Erste, was ich sah, nachdem ich wieder zu mir gekommen war. Ich erinnerte mich dunkel an eine quecksilbrige Mü digkeit, die sich, bald nach meiner letzten Mahlzeit, ausgebreitet hatte. Ich lag auf unserer orangefarbenen Trage, festgeschnallt und mit gefesselten Händen wie bei meinem Transport in den Keller. Das vorgeformte Polster mit den höheren Seitenteilen verhinderte, dass ich den Kopf um mehr als ein Weniges drehte, und das grelle Licht der runden OP-Lampe, die über meinem Kopf schwebte, blendete mich. Der Raum, in dem ich mich befand, wirkte fremd, und es dauerte eine Weile, bis ich erkannte, dass es nichtsdestoweniger der verlassene Lagerraum war, in dem ich so viele Tage allein verbracht hatte. Das war enttäuschend: Wenigstens jetzt hätte ich mir einen Ortswechsel gewünscht.
    Den Blick schweifen zu lassen war anstrengend, und ich konzentrierte mich wieder auf Metz. Er trug einen Mundschutz und eine OP- Haube, was seine Augen betonte. Der Blick darin war ruhig, entschlossen, kühl und doch von einem besonderen Eifer durchdrungen. Langsam erkannte ich, dass sich am Rande des Lichtkreises, am Rande meines Gesichtskreises weitere Personen befanden, alle in ähnlicher Weise verhüllt. Vielleicht war es ihre Ordenstracht, und welcher Sanitäter wäre nicht zumindest für Momente gerne einmal Arzt? Oder sie hatten sich nur bis auf die Augen verhüllt, weil ihnen das, was sie zu tun gedachten, dann leichter fallen würde, und weil durch diese Uniformierung die Illusion einer Gemeinschaft mit gleichen Zielen entstand.
    Metz drehte geringfü gig meinen linken Arm – routinegemäß den, auf den ich weniger angewiesen war – beklopfte die Venen, desinfizierte eine vielversprechende Stelle, und sagte hinter seinem Mundschutz, Haller, entspann dich, das kann jetzt kurz ein bisschen wehtun. Dann stach er die hohle Nadel in die Vene. Etwas dunkles Blut floss, er tupfte es ab, fixierte den Zugang mit einem Pflaster und schloss eine Kochsalzinfusion an, die langsam vor sich hin tropfte. Metz’ ruhige, abgezirkelte Bewegungen zu verfolgen hatte, trotz der Situation, eine beinahe hypnotische Wirkung auf mich.
    Er verschwand kurz aus dem Licht und tauchte dann wieder auf mit einem Perfusor, ein em elektronischen Gerät, das den Inhalt einer großen Spritze gleichmäßig und genau dosiert über längere Zeit einem Patienten zuführt. Mit einem Schlauch verband er venösen Zugang und Perfusor. Darin befand sich eine klare Flüssigkeit. Einen Moment lang sah Metz mich an, ohne erkennbare Gefühlsregung; dann trat er zurück in den Schatten.

    Eine Stimme sprach; ich glaube, es war Lambertus.
    „ Du hast uns getäuscht, verraten, belogen. Bist geflohen, als wir mit dir reden wollten. Auch die Geschichte von deinem angeblichen Freund, der in Syrien festsitzen soll, haben wir überprüft, und sie hat sich nicht bestätigt. Warum du für dich behalten willst, was du weißt, und uns in die Irre führst, das wissen wir nicht. Es kann kein Zufall sein, dass wir vom

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