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Circulus Finalis - Der letzte Kreis

Circulus Finalis - Der letzte Kreis

Titel: Circulus Finalis - Der letzte Kreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tarek Siddiqui
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Zettel aus der Tasche. Metz nahm ihn entgegen und starrte darauf, Wegmann und Tann mit ihm. Nur Härting behielt mich im Auge und wirkte wenig neugierig. Tann las laut vor.

    Und deines Geistes höchster Feuerflug
    Hat schon am Gleichnis, hat am Bild genug.

    Das war es dann.
    Siad hatte ein verschnörkeltes Zitat gewählt, um meinen Kollegen, die er sich offenbar als Teilnehmer einer wohlwollenden Schnitzeljagd dachte, vage und mit Goethes Worten wissen zu lassen, dass sie nur einer Idee gefolgt waren. Dass die Vorstellung für uns so wirklich ist wie die Wirklichkeit, die Wirklichkeit eine Vorstellung. Ich hatte all meine Hoffnung darauf gesetzt, eine unmissverständliche Aufklärung vorzufinden, aber eigentlich war es ganz gleich, alles würde sie in ihrer Überzeugung nur bestätigen. Sie hatten etwas als unumstößliche Prämisse in ihrem Modell der Welt akzeptiert, und von diesem Punkt an wurde alles andere darauf ausgerichtet, diese Prämisse zu stützen. Egal, wie kompliziert die Theorie werden mochte, es wäre alles nur eine Bestätigung für ihre Richtigkeit.
    Das war es dann:
    Ich war so stolz auf mein Versteck und meinen Fluchtplan gewesen, und war ihnen im eigentlichen Sinne entkommen. Aber sie hatten das bessere psychologische Gespür bewiesen. Meine frühere Überzeugung kam mir in den Sinn: dass ich entkommen würde, wenn ich einen klaren Kopf behielt und die Lage nüchtern beurteilte. Kein äußerer Faktor hatte mich zu Fall gebracht, sondern die oberflächliche Beurteilung meiner Widersacher, der Glaube daran, dass sie einsehen würden, was mir als zwingend und vernünftig erschien. Sie hatten mich mit meiner Hoffnung gefangen. Etwas tief in mir gab auf, konnte und wollte nicht mehr, war einfach müde. Und in dem Moment, in dem die Spannung von mir abfiel, wurde mir schwarz vor Augen.

    Interessanterweise blieb das Gehör erhalten, und ich verlor nicht das Bewusstsein. Es wurde nur vollständig dunkel um mich, und um meinen Gleichgewichtssinn war es auch nicht bestens bestellt.
    „ Was ist denn, was ist? Ein Trick, oder was soll das werden?“
    „ Ich habe… nichts gegessen, seit gestern. Kein Schlaf. War ein harter Tag.“ Ich kämpfte darum, nicht vollständig ins Dunkel zu sinken, und spürte zwei Hände nach mir greifen.
    „ Ach ja, ich weiß. Ist dir nicht so gut bekommen, dein letzter Dienst.“
    Ich versuchte, da meine Ohren ja noch funktionierten und mein Gemü t teilnahmslos war, herauszuhören, ob darin eine Drohung lag, aber Tann sagte das ganz nüchtern als Feststellung.

    Sie geleiteten mich zu einem Stuhl, das war schon besser; aber sehen konnte ich noch immer nichts. Tann und Wegmann entfernten sich; ich hörte sie Unverständliches mit der Schwester sprechen, und etwas später waren sie mit der Trage aus unserem Rettungswagen wieder da. Kräftige Hände hoben mich darauf. So fühlt es sich also an, bei uns Patient zu sein, dachte ich noch. Nicht unangenehm. Fleckenweise kehrte mein Sehvermögen zurück, aber ich legte keinen besonderen Wert darauf. An der Pforte machten wir halt, die Schwester schob sich kurz und schwarz-weiß in mein Blickfeld, nicht verstehend und distanziert. Dann hörte ich die Stimme des Polizisten, der mich auf dem Fahrrad angehalten hatte. Mir wurde bewusst, dass die ganze Jagd wahrscheinlich kaum länger als zwanzig Minuten gedauert hatte. Ich machte einen letzten Versuch:
    „ Hören Sie, ich brauche Ihre Hilfe… Mir fehlt nichts außer etwas zu essen, und diese Männer sind meine Kollegen, aber… Teil einer Organisation, sie wollen mich verschleppen… Weil ich… Nehmen Sie mich mit auf die Wache, bitte.“
    Jetzt war er wieder da, der Teil von mir, der aus der Distanz zuhö rte und zusah, solange ich mich erinnern konnte; in letzter Zeit hatte ich ihn mitunter vermisst, aber jetzt war er wieder da, um mir zu sagen, dass sich meine Worte wie das Gestammel eines Verrückten anhörten.
    Der Kopf des Polizisten erschien in meinem tunnelartigen Gesichtsfeld. Er lä chelte sein Bundespräsidentenlächeln. „Na ich merke jedenfalls, dass Sie wirklich Angst vor der Rettung haben. Aber Sie lassen sich jetzt mal schön in Ruhe im Krankenhaus untersuchen, das ist ja nicht weit. Da passiert ihnen nichts. Sehen Sie mal, ich kann Sie doch nicht mitnehmen, Sie haben ja nichts getan, nur ein bisschen Fangen gespielt in der Schule und Fahrradfahren ohne Licht, na ja. Darüber sehen wir dieses Mal noch hinweg, gut?“
    Zu Hä rting gewandt fuhr er leiser fort:
    „

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