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Circulus Finalis - Der letzte Kreis

Circulus Finalis - Der letzte Kreis

Titel: Circulus Finalis - Der letzte Kreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tarek Siddiqui
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Ebenen der Geschichte auseinander zuhalten: Da gab es das, was ich erfunden hatte, dann die Aspekte, die Siad ergänzt hatte, und von denen ich nur eine vage Ahnung hatte. Darüber hinaus letzte Worte, die sich lückenlos einfügten in die Geschichte, was aber nur Zufall sein konnte, wie ich mir wieder und wieder sagte: Härtings Kindheitstat. Geli, die vom Schlüssel sprach, und dabei wahrscheinlich nur das Stück Metall meinte, dass sie mir entwendet hatte.
    Metz stand schon und starrte auf jene Wan d des Wachraums, an der hinter Glas ein großer Stadtplan hing. Er setzte voraus, dass von einer Mühle im Stadtgebiet die Rede sein musste, und ließ seinen Blick über die Karte wandern. Es gab zwar keinen zwingenden Grund, warum das so sein sollte, aber ich befürchtete, dass er Recht behalten würde, denn andernfalls hätte Siad wahrscheinlich genauere Anweisungen hinterlassen.
    Windmü hlen gab es keine hier. Ich musste an Don Quichotte denken, wie ich Metz so sah, die Nase kaum eine Handbreit vom Plan entfernt. Wegmann umtänzelte ihn wie ein toller Hund, der die Anspannung seines Herrn spürt, ohne ganz zu wissen, worum es geht. Tann starrte immer noch auf die Kopie mit der Botschaft. Und ich sah ihnen zu, unendlich müde, und unfähig, den Unsinn zu beenden.
    Planq uadrat für Planquadrat suchte Metz die Karte ab, zwei mal, ohne Ergebnis. Endlich wandte er sich ratlos ab. Und dann war es ausgerechnet Wegmann, der einen Geistesblitz hatte:
    „ Die Dittsche!“
    „ Was?“
    „ Die Dittsche. Das Ausflugslokal.“ Er suchte kurz auf dem Plan und fand, ganz am Rand der Karte, in einem Waldstück, ein entsprechend gekennzeichnetes Haus.
    „ Und wieso?“
    Seine unruhigen Augen glü hten triumphierend. „Weil es ursprünglich nicht Dittsche hieß, sondern Dittscher Mühle .“

21
    Beim Weg durch den Wald fiel mir ein Tannenzapfen auf den Kopf, und angespannt und übermüdet, wie ich war, hätte ich beinahe laut aufgeschrien. Soweit man sehen konnte, war es ein Einzelereignis; nirgendwo sonst sah oder hörte man Tannenzapfen oder Zweige fallen, und ich fragte mich, wie wenig wahrscheinlich es wohl war, dass gerade mein Kopf so sauber getroffen wurde. Aber die Nacht ist ein unentdecktes Land, in dem eigene Gesetze gelten; die Rolle des Zufalls ist schwer zu beziffern, und wenn eines aus der unendlichen Zahl unwahrscheinlicher Ereignisse eintritt, versetzt uns das in großes Erstaunen.
    Metz hatte auf der Wache ohne langes Zö gern zwei starke Taschenlampen aus dem Lager geholt, die als Reserve bereitlagen. Es war inzwischen nach Mitternacht, aber er fragte nicht einmal, ob ich mitfahren wolle, er setzte es einfach voraus.
    Und ich fuhr mit. Es war eine Mischung aus Vorahnung, Zweifel, Neugier und Passivitä t, die das ermöglichte, und immerhin, so sagte ich mir, bestand so die Möglichkeit, Metz und den Fortgang der Suche im Auge zu behalten. Wir nahmen den Kadett, der für Dienstfahrten bereitstand, während Metz' Privatwagen, ein roter Mazda, auf der Wache blieb. Es war ein kleines Indiz dafür, dass Metz in unserer Suche nichts Verstohlenes, Ungesetzliches sah, sondern eine dienstliche Notwendigkeit höherer Ordnung. Vielleicht wollte er sich auch die Möglichkeit offen halten, mit Blaulicht zu fahren.
    Vom Parkplatz waren es noch ein paar Minuten durch den Wald. Totes Laub raschelte unangemessen laut unter unseren Schuhen. Im Schein der Lampe zwischen den Bäumen eine Bewegung, vielleicht ein Kauz.
    Die alte Mü hle tauchte vor uns auf. Jetzt wunderte ich mich, dass sie mir nicht gleich in den Sinn gekommen war: Ehemals ein beliebtes Ziel für uns als Schüler, weil man es hier mit dem Jugendschutz nicht so genau nahm und großzügig einen süßen Beerenwein ausschenkte, der kaum nach Alkohol schmeckte, aber doch einiges davon enthielt. An warmen Sommerabenden erhellten bunte Lampions eine erhöhte, steinerne Terrasse, die nun dunkel und verlassen dalag.
    Metz stand neben mir, laut atmend. Es wurde uns bewusst, dass wir nicht die geringste Idee hatten, wo wir nach einer Botschaft suchen sollten. Der Wind fuhr durch das Laub, Bä ume bogen sich schwarz gegen die vom Widerschein der nahen Städte aufgehellten Wolken. Ein hexenhäuschenhafter Wetterhahn auf dem Dach schüttelte sich blechern. Metz machte den Vorschlag, wir sollten getrennt suchen „wo die Botschaft versteckt sein könnte.“
    All das fü hlte sich zunehmend irreal an: Gelis Selbstmordversuch, Tanns Vermutung, ich hätte ihr geholfen; mein

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