Circulus Finalis - Der letzte Kreis
Schlüssel, Wegmanns flackernder Blick, die Dechiffrierung von Siads Botschaft, und Metz, der nichts anderes im Sinn hatte, als die Suche fortzusetzen. Den Kegel der Taschenlampe weit gestellt, leuchtete ich das Gebäude ab: von oben nach unten, wieder von unten nach oben, bis sich der Strahl im verhangenen Himmel verlor. Begutachtete mechanisch die Ritzen der aus grobem Stein gefügten Wände, das Fachwerk des Haupthauses, ohne mir darüber klar zu sein, wonach ich suchte, und was zu tun sei, falls ich etwas fand. Ich entfernte mich von der Mühle und ging ein paar Schritte in den Wald hinein. Das welke Laub raschelte zu meinen Füßen. An der Rückseite des Hauses sah ich den Widerschein von Metz’ Taschenlampe. Ich setzte mich auf einen kalten, feuchten Stein, lehnte mich an einen Baumstamm, und war innerhalb von Sekunden eingeschlafen.
Als ich wieder aufwachte, fü hlte ich mich trotz der Kälte wohl und erfrischt. Es konnten kaum mehr als zehn Minuten vergangen sein, wenn überhaupt. Metz rief mit gedämpfter Stimme nach mir. „Nichts zu finden“, berichtete er. „Vielleicht ist doch eine andere Mühle gemeint. Oder der Satz ist symbolisch zu verstehen.“
Langsam schü ttelte ich den Kopf. Aus der Tiefe des kurzen Schlafes hatte ich die Überzeugung in die wache Welt mitgenommen, die Lösung des Problems zu kennen.
„ Wir finden es“, entgegnete ich.
Woher diese Ü berzeugung kam, blieb ungewiss; vielleicht aus einem Traum. Aber ich konnte mich nicht erinnern, geträumt zu haben. Das Rauschen des Windes in den Zweigen schien Wortfetzen von Wipfel zu Wipfel weiter zu tragen, doch verstand ich nicht. Eine Weile stand ich schweigend im Dunkel, Metz einige Schritte entfernt, geduldig wartend. Verrückt.
Plö tzlich war ich mir fast sicher, etwas gesehen zu haben. Etwas, das nicht hierher gehörte, etwas, das ich wahrgenommen hatte, wenn auch nur durch den Schleier der Erschöpfung.
Mir lief ein Schauer ü ber den Rücken, es schüttelte mich in einer Mischung aus Müdigkeit, Vorahnung, Unglauben und Schrecken. Schritt für Schritt und teilweise rückwärts ging ich den Weg zurück, den ich genommen hatte.
Nichts. Wieder stand ich vor dem Gebäude, umrundete es, den Mühlbach überquerend, der, reguliert durch den oberhalb gelegenen Stausee, trotz des Regens kaum Wasser führte. Es roch leicht modrig und nach feuchtem, dunklem Holz. Im unruhigen Licht der Taschenlampe war es schwierig, Einzelheiten zu erkennen. Metz trat schweigend zu mir. Noch immer war ich mir sicher, etwas gesehen zu haben, das nicht hierher gehörte. Krampfhaft versuchte ich, mich zu erinnern. Das Bild eines Auges kam mir in den Sinn. Wieder schüttelte es mich. Der Schein der Taschenlampe huschte über das Mauerwerk, über das feuchte Holz, über schwankende Äste und Halme und Gestein und totes Laub. Nichts. Der Lichtkegel wanderte empor, strich über die Dachschräge und verlor sich kurz, bevor er Halt an dem zitternden Wetterhahn fand. Er war dunkel und halb verrostet, aber sein Auge glänzte silbrig.
Ungeduldig suchten wir nach einer Mö glichkeit, aufs Dach zu gelangen. Mit Hilfe eines der kleinen, runden Tische gelangten wir auf einen flachen Vorbau; dann wurde es schwierig. Die Schieferplatten, mit denen das Dach gedeckt war, waren feucht und rutschig; Metz drängte dennoch hinauf. Es gab kleine Metallwinkel für den Kaminkehrer, über die er sich hinaufarbeitete, und ein Ziergeländer, das etwas Halt bot. Ich leuchtete ihm von unten, so gut es ging, und verdrängte den Gedanken, wie ein Sturz ausgehen mochte.
Der letzte Schritt war der schwierigste: Am Dachfirst gab es nur wenig Halt, der Kamin war auß er Reichweite, und der rostige Wetterhahn sah wenig vertrauenerweckend aus. Vorsichtig stützte Metz sich auf und streckte sich nach dem glänzenden Auge. Er hielt kurz inne, zog etwas heraus und hielt es kurz ins Licht: Eine schmale, metallene Dose, soweit ich es erkennen konnte.
Der Abstieg war heikler noch als der Aufstieg. Metz’ Füße suchten nach den Winkeln, seine Beine zitterten von der Anspannung. Als ich dachte, es sei geschafft, rutschte er von einem der Tritte. Ich war auf dem Vordach ein wenig zurückgetreten, um besser leuchten zu können und ihm Platz zu machen; jetzt tat ich, ohne nachzudenken, schnell einen Schritt zu ihm hin. Unsanft prallte er auf mich. Ich packte seine Jacke und riss uns beide zur Mitte des Vordachs hin, um einen weiteren Fall zu verhindern.
Da lagen wir dann, keuchend, verdreckt,
Weitere Kostenlose Bücher