Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Circulus Finalis - Der letzte Kreis

Circulus Finalis - Der letzte Kreis

Titel: Circulus Finalis - Der letzte Kreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tarek Siddiqui
Vom Netzwerk:
auszuschließen.
    Ansonsten wirkte die Botschaft fragmentarisch, es fehlte jegliche nä here Bestimmung, um welchen Weg nach oben es sich handeln mochte. Wir hatten sie an der höchsten Stelle der Mühle vorgefunden, von hier führte kein Weg weiter hinauf. Die nackte Betonsäule des Wasserturms kam mir in den Sinn, kaum ein paar hundert Meter von der Wache, mit ihrer begehbaren, wie eine fliegende Untertasse anmutenden Aussichtsplattform. Aber wo wäre die Verbindung zur Mühle? Und wie würde das zu den ins Mittelalter zurückreichenden Wurzeln des Ordens passen? Auf der anderen Seite – wer sagte, dass das Versteck im Laufe der Jahrhunderte nicht gewechselt haben konnte?
    Wä hrend ich so überlegte und das Problem auf verschiedenen Ebenen betrachtete – einmal auf der des Illusionisten, dann auf der des Zuschauers, der nach der Erklärung für einen Zaubertrick sucht, und schließlich als der Gläubige, der die Kraft der Magie nicht in Zweifel zieht – wurde es immer schwieriger, mir meiner eigentlichen Position und Verantwortung bewusst zu werden. Um die Lösung zu finden, musste ich mich auf die Lüge einlassen, so als sei sie wirklich geworden.

    Die Tagschicht hatte einen harten Dienst hinter sich, zwei Todesfälle. Schlager, mit dem ich eingeteilt war, erkundigte sich mit unverhohlenem Spott: „Und – schnell gleich noch den Lottoschein ausfüllen? Jetzt habts’ ja wohl sogar die Zusatzzahl.“
    Ich sah in betretene Gesichter, Dommel schü ttelte den Kopf und sah Schlager dann trotzig in die Augen. „Er war wohl noch nicht weit genug weg.“
    „ Was?“ Schlager legte demonstrativ die Hand ans Ohr.
    „ Na ja, je weiter weg, desto genauer die Kenntnis der… Dinge.“ Dommel rieb sich die Stirn. „Also war er nicht weit genug weg.“
    Mir wurde k lar, dass dem Okkulten das vermeintlich unglaubliche Einzelereignis reicht, um Verbreitung und Macht zu erlangen: Es benötigt dazu nicht den regelmäßigen Erfolg, den es ohnehin nicht liefern kann, denn ein beliebiges Beispiel macht mehr Eindruck als die umfassendste Statistik. Seine Unzuverlässigkeit ist Teil des Geheimnisses, und eine einmal gefasste Anschauung wird selbstbestätigend. Das ging mir jetzt doch alles zu weit; zugegeben, es gab Zeiten, da hatte ich mir gewünscht, mehr Anhaltspunkte für meine Geschichte bieten zu können, aber diese nicht mehr hinterfragte, flexible Glaubenskonstruktion begann mir unheimlich zu werden.
    Ich hatte erwartet, das vorhersehbare Ausbleiben letzter Worte, die sich deuten und als hellsichtige Wahrheit interpretieren lie ßen, würde der Vernunft im Kampf mit der Faszination des Obskuren zum Sieg verhelfen. Aber so einfach war es nicht. Vor meinem inneren Auge sah ich Beunruhigendes: Dommel, wie er bei einem Patienten wartet, damit der an einen entlegenen Ort gelangen kann, an dem es Antworten gibt, weit genug weg . Ich schaltete mich ungewohnt energisch in das Gespräch ein.
    „ So ein Blödsinn, davon weiß ich nichts. Auf die Art kann man ja wirklich alles erklären, was man nicht versteht oder nicht verstehen will.“
    Schlager sc hüttelte den Kopf und murmelte, „wahnsinnig seid ihr. Wahnsinnig.“
    Dommels Gesicht rö tete sich. Er wandte sich mir zu und sagte ungewohnt leise: „Und du glaubst wohl, du entscheidest, was richtig ist und was falsch, oder?“
    Wie sollte ich das beantworten? W ieder die Versuchung, die ganze Geschichte aufzulösen. Aber war das überhaupt noch so einfach möglich? Da ich nicht sprach, fuhr Dommel fort.
    „ Und gestern, das Mädchen… Eine großzügige Portion Ketanest, um in aller Ruhe ein paar Fragen stellen zu können, die einen gerade so beschäftigen. Mit deinem bisschen Hirn hättet ihr die Botschaft nie entschlüsselt.“
    Gelis Selbstmordversuch hatte sich zwar allgemein herumgesprochen, aber zumindest Schlager kannte die genaueren Umstä nde wohl noch nicht. Das Blut wich aus seinem Gesicht, und er sah zwischen Dommel und mir hin und her.
    „ Stimmt das? Ihr habt dem Mädchen etwas gegeben, und sie dann fast krepieren lassen?“
    Ich erkannte, dass es Zeit war, die Stimme zu erheben, auch wenn die Emotionen fehlten, die so entschei dend zur Authentizität hätten beitragen können.
    „ Verdammt! Niemand hat ihr irgendetwas gegeben! Sie hat meinen Schlüssel entwendet.“
    Dommel atmete schwer und ließ sich im Sessel zurückfallen. „Okay, okay“, murmelte er nur; schließlich war ich letzten Endes doch der Bote Sarazuls.
    Vielleicht war Schlager fü r den

Weitere Kostenlose Bücher