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Circulus Finalis - Der letzte Kreis

Circulus Finalis - Der letzte Kreis

Titel: Circulus Finalis - Der letzte Kreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tarek Siddiqui
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Augenblick beruhigt. Aber ich sah, dass er nicht überzeugt war. Er griff nach seinen Zigaretten und verließ den Raum, ohne sich noch einmal umzudrehen.

Der Fall
23
    Der Keller beginnt, mir eng zu werden. Die Ablenkungen gehen mir aus, die vorhandenen Bücher kenne ich inzwischen, manches davon auswendig. Walter Benjamin: Du bist ins Magazin der Zeit gedrungen und blickst auf Stapel unbenutzter Tage.
    Ein dü nnes, längst überholtes Spanisch-Lehrbuch habe ich mir vorgenommen, mit achtzehn Lektionen und einem rauen, abgenutzten Einband. Sie sagt mir zu, diese Sprache mit den vielen kurzen, lautmalerischen Worten. Im Gegensatz zum Angelsächsischen ist das einbuchstabige Wort hier das Und, die Verbindung, nicht das Ich. Gewissenhaft arbeite ich sie durch, die Lektionen, und frage mich, wann es wohl Gelegenheit geben könnte, das Erlernte anzuwenden. Ich versuche, mir einen kleinen, mit Waren vollgestopften Laden an einem Dorfplatz irgendwo in der Sierra Nevada vorzustellen, oder einen Markt im Hochland Ecuadors, die Menschen mit leuchtenden Umhängen, der Himmel darüber von dunklem Blau: „¿Tienen usted des verduras?“
    Aber es will mir nicht recht gelingen.

    Soeben habe ich einen Anfall von Panik ü berstanden: Plötzlich schreibt mein Stift nicht mehr, die Kugelschreibermine ist leer, der winzige Rest getrocknet. Mit den Wachsmalstiften komme ich nicht weiter. Solange ich schreibe, lebe ich, und die Wände bleiben an ihrem Ort. Mir wird heiß, dann kalt. Dann fällt mir ein, dass ich irgendwo Kugelschreiber gesehen habe, einige, viele. Ich springe auf, so als ginge es um Sekunden, reiße den heute beinahe vollständig geschlossenen Vorhang beiseite, und beginne, zu durchwühlen, was hier abgelegt, vergessen, in Kisten gestapelt liegt. Ein Messbehälter zerspringt auf den Fliesen, Zangen mit obszönen, organischen Formen fallen zu Boden, aufgespreizt, als wollten sie nach mir greifen. Dann erinnere ich mich, wo ich die Kugelschreiber gesehen habe. Zuunterst in der Kiste mit den Büchern. Der erste funktioniert nicht, die Tinte stockt, dann, endlich, fließt sie. Ich atme auf.
    Solange ich s chreibe, lebe ich. Was wird sein, wenn ich fertig bin?
    Wenn man das Umfeld bedenkt, in dem sich diese Geschehnisse ereignen, dann ist bisher eigentlich wenig vom Tod die Rede gewesen. Vom Sterben, am Rande, von Wiederbelebung, ja, aber vom Tod – nur als Satzzeichen, als Punkt am Ende einer Geschichte.

    Ich versuche mir etwas vorzustellen, etwas anderes als leuchtende Ponchos und baumbeschattete Plätze: dass eines Tages kein Essen mehr kommt. Man vielleicht übereingekommen ist, mich hier zu vergessen. Dass ich rufe und an Wände und Tür schlage, ohne Erfolg, bis Kräfte und der Willen nachlassen. Wären sie dazu fähig?
    Und plö tzlich ist mir klar, dass ich diese Frage ganz zweifelsfrei mit einem Ja beantworten kann. Vielleicht sind sie noch nicht so weit; vielleicht würden sie nicht diesen Weg wählen. Aber eines ist sicher: Ich habe sie unterschätzt. Ihre Entschlossenheit, ihre tief verborgene Überzeugung, auf irgendeine vage Weise auserwählt zu sein. Einzeln hätte ich keinem von ihnen etwas Derartiges zugetraut. Ich hatte intuitiv, aber leichtfertig angenommen, dass ihre unterschiedlichen Charaktere, die verschiedenen Neurosen und Empfindlichkeiten und Eigenarten einander im mathematischen Sinne aufheben müssten, statt einander zu ergänzen und zu verstärken. Doch genau das ist geschehen.
    Ich ü berdenke die Möglichkeit, Zahnschmerzen vorzutäuschen, um zu sehen, wie entschlossen sie sind, und wie sehr oder wie wenig barmherzig. Aber ich müsste das durchziehen, mit stunden-, vielleicht tagelangem Schreien und Wimmern. Nein, dazu fehlen mir die Entschlossenheit und der Wille. Und die Vorstellung, damit vielleicht den Besuch eines selbsternannten Zahnarztes zu provozieren, ist mir auch nicht angenehm.

    Manchmal frage ich mich, ob nicht ich es bin, der manipuliert wurde. Vielleicht hat man mir diese unglückliche Idee in einem unverdächtigen Moment so eingepflanzt, dass ich sie für meine eigene halten konnte. Wo liegt die Wahrheit? Alles, was ich in den letzten Wochen und Monaten getan habe, ob ich wollte oder nicht, scheint auf wundersame Weise einem Zweck zugestrebt zu haben, einem Punkt in der Zukunft, der beinahe erreicht ist.
    Was, wenn ich nur dem Plan, der Intrige eines anderen gefolgt bin, selbst nur eine Figur in jener Geschichte gewissermaß en? Aber wozu? Und wer sollte hinter einem solchen

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