Circus
ging mit seinem Kollegen davon.
Maria, die sich wieder daran erinnerte, daß sie sich für einen Moment in Brunos Arme geschmiegt hatte, sagte gekränkt: »Ich danke dir, daß du mir keine Illusionen machst – für einen Augenblick hatte ich doch tatsächlich geglaubt, du fändest mich unwiderstehlich.«
»Man muß immer den Rückspiegel im Auge behalten. Und zwar ebenso beim Parken wie beim Fahren.«
Er steuerte den Wagen in die kleine Straße.
Die beiden Polizisten beobachteten aus der Ferne, wie er einparkte. Dann gingen sie weiter, bis sie außer Sichtweite waren und blieben wieder stehen. Der größere der beiden Männer zog ein Walkie-Talkie aus seiner Brusttasche, drückte auf einen Knopf und sagte: »Sie haben in der kleinen Straße an der Südseite der ›Lubylan‹ geparkt, Herr Oberst.«
»Ausgezeichnet.« Obwohl seine Stimme verzerrt durch den Draht kam und außerdem auch noch von einer Reihe keuchender Geräusche unterbrochen wurde – Lachen war eine ungewohnte Sache für ihn –, war sie deutlich als die von Sergius zu erkennen. »Lassen Sie die beiden Turteltauben jetzt ruhig in Frieden.«
Bruno und Maria brauchten Minuten, um festzustellen, daß es auch außerhalb der ›Lubylan‹ Wachen gab. Es waren drei, und sie patrouillierten ohne Pause, wobei sie abwechselnd eine ganze Runde um die ›Lubylan‹ machten. Aber zu keiner Zeit war eine der Wachen von einer der beiden anderen zu sehen. Man konnte nicht gerade sagen, daß sie ihre Arbeit mit Begeisterung taten: Sie trotteten mit gesenkten Köpfen vor sich hin und vermittelten den Eindruck von ausgesprochen unzufriedenen Männern, die nur auf den Augenblick warteten, in dem ihre Ablösung ihnen den Weg in die Wärme ermöglichen würde – die nächtliche Patrouille um die ›Lubylan‹ gab es nun schon seit zehn oder zwanzig Jahren, und wahrscheinlich hatte es noch nie einen Zwischenfall gegeben, und niemand sah einen Grund, weshalb sich das plötzlich ändern sollte.
Auf den beiden Wachttürmen, die sie von ihrem Parkplatz aus sehen konnten, blitzten ab und zu die Scheinwerfer auf und wanderten über den oberen Rand der Mauer. Es waren keine regelmäßigen Abstände zwischen den einzelnen Lichtperioden festzustellen, es schien ganz im Ermessen der diensthabenden Wachen zu liegen, wann sie die Scheinwerfer ein- oder ausschalteten.
Nach zwanzig Minuten fuhr Bruno zu der öffentlichen Bedürfnisanstalt, die er schon früher an diesem Abend aufgesucht hatte, stieg aus dem Wagen, gab Maria einen Abschiedskuß, als sie auf den Fahrersitz hinübergerutscht war, und verschwand in dem Gebäude. Als er wieder herauskam, hatte er das schmierige Paket mit den alten Kleidungsstücken und dem Amatol unter dem Arm und erstrahlte wieder ganz in dem ihm von Harper anbefohlenen Glanz.
9
P unkt zwölf Uhr mittags am folgenden Tag trafen sich Bruno und Maria auf dem Bahnhof in Kolszuki. Es war ein herrlicher, wolkenloser, klirrend kalter Wintertag, aber der Wind, der aus dem Flachland im Osten kam, war beißend scharf. Auf der zwanzig Minuten dauernden Bahnfahrt hatte Bruno mit Interesse seinen überschwenglichen Nachruf in der Crauer Sonntagszeitung gelesen. Er war überrascht über seine glanzvolle Karriere, den internationalen Ruf, der ihm voraneilte, die schier unmöglichen Kunststücke, die er vor Staatsoberhäuptern in aller Welt gezeigt hatte. Aber geradezu gerührt war er über die liebevolle Art, die er Kindern gegenüber an den Tag gelegt hatte. Der Artikel enthielt gerade so viele Tatsachen, daß man sicher sein konnte, daß der Reporter mit irgendeinem der Circusangehörigen gesprochen hatte und daß diese Person über einen sehr skurrilen Humor verfügte. Das war nicht Wrinfields Werk, davon war er überzeugt. Dann schon eher Kan Dahns, und zu dieser Vermutung kam er hauptsächlich, weil dieser als einziger Circusangehöriger namentlich in dem Nachruf erwähnt wurde, außer Bruno natürlich. Der Artikel, überlegte Bruno, würde sich sehr positiv auf die Besucherzahl bei der Beerdigung am folgenden Morgen auswirken. Bruno schnitt den Artikel sorgfältig aus und steckte ihn zu dem anderen schwarzumrandeten Bericht vom Vortag.
Das Gasthaus, von dem Bruno gesprochen hatte, lag nur zwei Meilen außerhalb des Dorfes. Nachdem Bruno eine Meile gefahren war, fuhr er in eine Parkbucht, öffnete den Kofferraum des Wagens, sah sich die Gymnastikmatte und den gepolsterten Haken an, der am Ende des Seils befestigt war, machte den Kofferraum wieder zu
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