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Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab

Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab

Titel: Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Skelton
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glänzten. »Glaub bloß nicht, dass du mir was vormachen kannst! Ich seh den Teufel in deinen Augen blitzen!«
    Sie bückte sich nach den Rosinenbrötchen, die ihr zu Boden gefallen waren, hob sie auf und verwahrte sie zwischen ihren Rockfalten. Kaum hatte sie ihm den Rücken zugedreht, versuchte Bottle Top eines der Brötchen, die zum Auskühlen auf dem Tisch lagen, zu stibitzen.
    Aber Mrs Kickshaw war schneller. Sie verpasste ihm eine kräftige Ohrfeige.
    »Die sind nicht für solche wie dich«, rief sie, »sondern für brave Kinder, die tun, was man ihnen sagt. Also wirklich, ihr seid einer so schlimm wie der andere. In meinem ganzen Leben sind mir noch nie zwei so faule Herumtreiber untergekommen!«
    Ungeachtet ihres Wutanfalls verzog sich ihr Gesicht zu einem breiten Lächeln. Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem verbliebenen Teigkloß auf dem Tisch zu und machte sich daran, ihn mit ihren Fäusten zu bearbeiten.
    »Und was habt ihr heute draußen auf den Wiesen gefunden, ihr beide?«, fragte sie. »Was Interessantes?«
    »Ein Nest«, sagte Bottle Top. »Im Galgenbaum.« Er fing Cirrus’ Blick unter dem Tisch auf und grinste. Ein schelmisches Glitzern leuchtete in seinen Augen. »Da sitzt ein Vogel drin, der ist aus lauter Feuer.«
    »Ach ja?«, sagte Mrs Kickshaw, die nur noch mit halbem Ohr zuhörte. Sie schnippte einen Rüsselkäfer weg, der auf ihren Teig zukroch.
    »Und einen Mann haben wir auch gesehen«, sagte Bottle Top. »Cirrus sagt, er beobachtet das Heim.«
    »Tatsächlich? Was für ein Mann?«
    »Ein Straßenräuber«, sagte Bottle Top. »Er hatte eine Pistole dabei!«
    Da streckte Mrs Kickshaw unverhofft den Arm aus und bekam Cirrus beim Kragen zu fassen. Sie zerrte den zappelnden Jungen auf die Beine. »Ist das wahr?«, fragte sie und starrte ihn eindringlich an.
    Cirrus versuchte sich zu befreien, aber ihr Griff war unnachgiebig. Er spürte den Kragen um seinen Hals immer straffer werden. »Genau konnten wir’s ja nicht sehen, weil wir nicht nah genug waren«, sagte er japsend, auf Zehenspitzen stehend. »Aber er hat was in der Hand gehabt. Könnte schon eine Pistole gewesen sein.«
    Mrs Kickshaw sah ihn missmutig an, dann gab sie ihn frei. Von jahrelanger Küchenarbeit war ihre Haut braun wie Kuchenkruste, und ihre Wangen erinnerten an den Stellen, wo Pockennarben sie entstellt hatten, an einen knusprig überbackenen Auflauf.
    »Wenn das einer eurer Tricks ist, mit denen ihr den Kleinen Angst einjagen wollt«, sagte sie, »dann versohle ich euch die Hintern für alle Ewigkeit!«
    »Nein, Mum«, sagte Cirrus hastig. »Es ist die Wahrheit.«
    Wütend funkelte er Bottle Top an, der inzwischen an einem erfolgreich vom Tisch gestohlenen Rosinenbrötchen knabberte.
    Cirrus bereitete Mrs Kickshaw nur sehr ungern Kummer. Sie war für ihn die Person, die einer Mutter am nächsten kam. Während Findelkinder oft zu Ammen aufs Land gegeben wurden, hatte er schon seine ersten Jahre in der Küche unter ihren Fittichen verbracht. Er liebte den Anblick und den Duft, wenn sie kochte oder backte, wenn der Brotteig im Ofen aufging, Fliegen streitlustig über den Milchkübeln summten und Rosinen wie Mäuseköttel auf dem Boden verstreut lagen.
    Mrs Kickshaw zog die Stirn in Falten. »Ihr stromert mir nicht mehr auf den Wiesen rum, hört ihr? Zu eurer eigenen Sicherheit. Hört ihr? Es ist gefährlich! Na, erst gestern hat es einen Einbruch im Blue Lyon gegeben, und Molly sagt, dass mehrere von unseren Bettlaken von der Wäscheleine fehlen!«
    An der Wand schepperte eine Glocke. Froh über die Ablenkung hob Cirrus den Kopf. Glocken bimmelten ständig im Heim – sie versammelten die Kinder zur Andacht, riefen sie zum Unterricht, scheuchten sie ins Bett. Selten verhießen Glocken etwas Erfreuliches.
    Auch dieses Läuten war keine Ausnahme.
    »Wird der Vorsteher sein«, sagte Mrs Kickshaw. »Er erwartet euch. Da ist nämlich wieder mal ein neuer Meister gekommen und will einen von euch Jungs mitnehmen.«
    Bottle Top richtete sich auf.
    »Ein neuer Meister?«, sagte er, schnippte die Krümel von seiner Jacke und fuhr sich mit spuckeglänzenden Fingern durch das Haar. »Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?«
    »Ihr seid ja nicht da gewesen!«
    Cirrus spürte, wie sich sein Magen zusammenzog. Der letzte Meister, der zu ihnen ins Heim gekommen war, hatte nur einen einzigen Blick auf Cirrus’ Lockengewirr geworfen – es war extra für diesen Anlass ordentlich zurechtgemacht worden – und sich dann mit

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