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Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab

Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab

Titel: Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Skelton
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ihren Blick bemerkt hatte. »Sie erzeugt die himmlischste Musik.« Er beugte und streckte die Finger. »Das ist meine Aufgabe: Während der Behandlung der Patienten spiele ich besänftigende Melodien. Und nun komm bitte hier entlang …«
    Mit ihrem Kleiderbündel im Arm folgte Pandora ihm zur Rückseite des Hauses und dann über eine enge Holztreppe zum Dachboden, wo die Dienstbotenunterkünfte lagen.
    »Deine Aufgabe wird es sein, jeden Morgen, bevor die Patienten kommen, das Behandlungszimmer sauber zu machen«, sagte Mr Sorrel, der mit kurzen Schritten vor ihr her schlurfte. »Und zweitens darauf zu achten, dass die Wanne täglich mit frisch magnetisiertem Wasser gefüllt ist.« Er blieb stehen und betrachtete sie noch einmal von oben bis unten. »Ich hoffe, du bist kräftig genug. Die Flaschen sind ziemlich schwer, und das letzte Mädchen war dieser Aufgabe schlichtweg nicht gewachsen.«
    Pandora spürte plötzlich einen dicken Kloß im Hals. Sie schluckte und versicherte Mr Sorrel, dass sie kräftiger sei, als sie aussehe.
    »Außerdem darfst du Madame Orrery während ihrer Sitzungen niemals stören«, sagte Mr Sorrel. »Ihre Patienten sind von höchst empfindlicher Veranlagung und lassen sich von jeder Unstimmigkeit schnell nervös machen.«
    Inzwischen hatten sie einen schmuddeligen, trüben Flur oben im Haus erreicht. Am anderen Ende unter der Dachschräge lag eine schäbige Kammer mit einem winzigen Kamin und einem kahlen Bettgestell.
    »Hier wirst du schlafen«, sagte Mr Sorrel. »In der Truhe ist ein wenig Bettzeug, falls du es brauchst, und im Krug ist Wasser. Ich erwarte dich dann unten.«
    Er ging und schloss die Tür.
    Pandora stand verloren in ihrem Zimmer und wusste nicht, ob sie nun jubeln sollte über ihr eigenes Reich oder weinen über die Trostlosigkeit dieser Umgebung. Aus dem Fenster im Mädchenschlafsaal hatte sie einen fast uneingeschränkten Blick über Felder und Wiesen gehabt, und hier kam das wenige Licht nur durch ein hoch gelegenes Fenster, dessen Glasscheibe trüb vor Schmutz war.
    Sie schob die Truhe vor die Wand unter dem Fenster und stellte sich darauf, damit sie hinaussehen konnte. Vor ihr dehnten sich schier endlos Dächer und Schornsteine wie die Wellen eines grauen Meeres. Unmittelbar gegenüber war eine kleine weiße Kirche, auf deren Erkersims eine Heiligenfigur in Ritterrüstung stand. Sie durchbohrte mit ihrem Speer einen Drachen. Ihr runder Schild glänzte in dem dunstigen Licht und reflektierte den Straßenabschnitt vor der Kirche. Pandora versuchte, das Fenster zu öffnen, konnte es aber nur um wenige Zentimeter anheben.
    Entmutigt stieg sie von der Truhe herab und fing an, ihr Kleiderbündel auszupacken, das sie auf dem Bett abgelegt hatte. Außer einem zweiten Paar Strümpfe fand sie darin zwei weiße Leinenunterhemden, ein Taschentuch und ein zweites Kleid mit roter Bordüre.
    Gerade wollte sie alles in der Truhe verstauen, als etwas auf den Boden flatterte.
    Ein Zettel.
    Ihr Herz schlug schneller. Hatte Mr Chalfont ihr etwa einen Brief geschrieben? Aufgeregt faltete sie das Stück Papier auseinander, musste aber enttäuscht feststellen, dass in abweisend strengen Buchstaben das Wort INSTRUKTIONEN darüber stand.
     
    Du bist vom Vorsteher dieses Findelhauses als Lehrling vermittelt worden. Man hat dich als kleines Kind hier aufgenommen, hilflos, verwahrlost, arm und verlassen. Aus Nächstenliebe bist du ernährt, gekleidet und unterwiesen worden …
     
    Die Worte verschwammen vor ihren Augen, und sie übersprang die nächsten Zeilen.
     
    Draußen in der Welt wirst du schnell auf mancherlei böse Versuchung stoßen, gehe ihr unbedingt aus dem Weg …
     
    Pandora warf einen Blick zum Fenster – sie kam sich vor wie ein Vogel im Käfig – und dann, als sie nicht länger an sich halten konnte, warf sie sich auf das Bett in der Ecke und weinte in ein Kissen. Es war bald nass von Tränen.
     

 

     

Mr Leechcraft
    Hast du denn gar keinen Verstand, Kind? Komm her!«
    Cirrus, der einen weiteren Haarschnitt fürchtete, wich zur anderen Tischseite aus und duckte sich, als Mrs Kickshaw auf ihn losging. Ihre Hände griffen in die Luft, und eine Mehlfontäne stäubte still zu Boden.
    Bottle Top musste so lachen, dass er fast von seinem Schemel fiel. Ein hohes schrilles Quieken wie von einem Ferkel kam aus seiner Richtung.
    »Und du hör auf mit deinem albernen Gekichere, du vorlauter Lümmel!«, sagte Mrs Kickshaw. Sie hatte seine Wangen so heftig geschrubbt, dass sie

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