Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab
Menschheit zu ertränken? Und die Nebelwände? Nun, sie können doch nur eins bedeuten: die Seelen der Verstorbenen! Es ist in der Tat naheliegend, meine Herrn! Der Atem Gottes existiert an der Schwelle von dieser in die nächste Welt! Mr Flux, ich glaube gar, Sie haben das Tor zum Himmel entdeckt!«
»Aber besitzen Sie denn einen Beweis für dieses göttliche Fluidum?«, fragt einer der Philosophen. »Oder müssen wir Ihren Worten blind vertrauen?«
James spürt, wie sich Felix neben ihm verkrampft.
»Ja, ich habe einen Beweis«, sagt er.
»Würden Sie uns das vielleicht näher erklären?«
»Erst muss ich selbst eine Bedingung stellen.«
Einer der Kaufleute, ein Mann mit dicken Rubinringen an den Fingern, schnaubt spöttisch. »Sie haben eine Bedingung zu stellen? Und was, bitte schön, wollen Sie von uns fordern, Sie kleiner Emporkömmling?«
James schluckt. »Ein Haus für meine Frau und eine jährliche Rente«, sagt er. »Sie erwartet ein Kind.«
Zum ersten Mal zeigt Madame Orrery Interesse an dem Gespräch. Sie beugt sich vor und stützt das Kinn in ihre Hand.
»Ist das alles?«, fragt sie. »Sie verlangen nichts für – sich selbst?«
Nur für einen Moment denkt James an seine bettlägerige Frau in dem winzigen Zimmer, das sie gemeinsam in einem baufälligen Haus nahe der stinkenden Gießereien am Südufer der Themse bewohnen. Er ruft sich ins Gedächtnis, was sie heute Abend zu ihm gesagt hat: »Bitte, James, ich wünschte, du würdest nicht fahren. Nicht für so lange. Nicht so weit fort. Dir könnte alles Mögliche zustoßen … Warte doch wenigstens, bis du dein Kind gesehen hast.«
Eine leichte Röte huscht über seine Wangen, aber dann spricht er über die Zweifel und Bedenken in seinem Kopf hinweg. »Ich fühle mich meiner Frau und meinem Kind verpflichtet«, sagt er. »Für ihr Wohlergehen muss ich sorgen, wenn ich schon mein eigenes aufs Spiel setze.«
»Also gut«, sagt Madame Orrery. »Ich werde mich persönlich darum kümmern, dass ihre Forderungen erfüllt werden. Doch wie wollen Sie uns nun von diesem Atem Gottes überzeugen?«
»Damit«, sagt James.
Er holt tief Luft, lockert den Kragen seiner Uniformjacke und zieht eine kleine Kugel an der Schnur um seinen Hals hervor. Es ist die Terrella, die kleine Erdkugel mit eingravierten fernen Kontinenten, die er schon seit seiner ersten Fahrt trägt.
»Eine Terrella?«, sagt der Philosoph. »Sie wollen uns mit einem gewöhnlichen Stück Metall überzeugen?«
»Mit Verlaub, Sir, geben Sie acht«, sagt James.
Er dreht die beiden Hälften der Kugel, bis sie in der korrekten Stellung zueinander stehen und an der Äquatorlinie ein Spalt entsteht. Dann nickt er seinem Freund zu, und Felix löscht mit leicht missbilligender Miene die Kerzen auf dem Tisch. Der Raum versinkt in Dunkelheit, nur das Mondlicht scheint noch schwach durch das gläserne Kuppeldach. Die Mitglieder der Akademie beugen sich vor.
Sehr vorsichtig hebt James die Nordhalbkugel an.
Die versammelten Männer schnappen hörbar nach Luft, als ein strahlendes bläulich weißes Licht aus dem Innern der Kugel dringt und sich im Raum ausbreitet. Unwillkürlich erheben sich die Männer und Madame Orrery von ihren Stühlen und greifen mit den Händen nach dem Licht.
»Wie wunderschön«, murmelt Madame Orrery, während sie das wellenförmig über ihren Köpfen schwebende himmlische Leuchten bestaunt. »Darf ich?«, fragt sie und greift nach der Kugel selbst.
James zögert, nur ungern gibt er die Kugel aus der Hand, aber dann lässt er die Terrella doch in ihre Handfläche gleiten. Augenblicklich schließen sich ihre Finger darum und verbergen die ungewöhnliche Lichtquelle unter dem Mantel aus Fleisch und Knochen.
»Ganz und gar unglaublich!«, sagt Madame Orrery, während sich ein sanfter Schimmer über ihr Gesicht legt. »Ich spüre, wie mich seine Kraft durchdringt. Es ist, als ob man zu neuem Leben erweckt wird!«
James wendet den Blick ab. Er kennt die verlockende Wirkung des Lichts nur zu gut. In den vergangenen Jahren hat er die Kugel viele Male geöffnet, immer aufs Neue überrascht, dass sich das Licht noch darin befand, und immer aufs Neue fürchtend, dass der Vorrat eines Tages erschöpft sein würde.
Einer der Kaufleute streckt den Arm über den Tisch. »Lassen Sie mich sehen!«, ruft er, aber Mr Sidereal ist schneller. Mit erstaunlicher Geschwindigkeit hat er seinen Stuhl dicht neben Madame Orrery manövriert und nimmt ihr die Terrella aus der Hand.
»Welch
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