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Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab

Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab

Titel: Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Skelton
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kletterte auf den Apfelbaum, um über die Mauer zu steigen.
    Fast hatte er es geschafft, doch gerade als er nach dem Seil griff, um sich auf der anderen Seite herabzulassen, hörte er lautes Scheppern hinter sich und sah, dass Mrs Kickshaw mit ihrer Glocke Alarm schlug.
    »Mr Chalfont!«, schrie sie. »Cirrus! Er reißt aus!«
    Augenblicklich ließ er das Seil los, sprang und landete zwischen Gras und Brennnesseln. Er wagte es kaum zu verschnaufen, sondern hastete über die Wiesen auf den Galgenbaum zu, dort bog er scharf nach rechts, geradewegs in Richtung Innenstadt, wo er noch nie zuvor gewesen war. Rauch und Staub trieben in der Luft.
    Im Nu hatte er sich in einem Gewirr von Straßen und Häusern verloren, zwischen ratternden Fuhrwerken und lärmenden Menschen, die ihn in alle Richtungen schoben und drängten. Verzweifelt sah er sich um, überlegte, wohin er gehen solle, und stürmte blindlings in eine schmale Straße hinein.
    Vom Vorsteher oder dem Mann aus Black Mary’s Hole war nichts zu sehen. Er war vollkommen auf sich gestellt.
    Nun musste er nur noch entscheiden, was er als Nächstes tun sollte.
     

 

     

Das Gesicht am Fenster
    Pandora schreckte aus dem Schlaf auf. Wo war sie? Was war geschehen? Ihre letzte Erinnerung war, dass sie tief in Madame Orrerys Augen geblickt hatte und dann in einen sonderbaren traumlosen Schlaf gefallen war. Bilder kamen und gingen ihr durch den Kopf, aber sie blieben unscharf und ohne Zusammenhang. Alles erschien ihr verschwommen.
    Nach einer Weile setzte sie sich auf und stellte erleichtert fest, dass ihre Gedanken allmählich zurückkamen.
    Sie war in ihrem Zimmer im obersten Stock des Hauses an der Midas Row. Die Sonne stand tief am Himmel, Schatten wuchsen an den Wänden empor. Wie spät mochte es sein? Wie lange hatte sie geschlafen?
    Sie lauschte angestrengt. Im Haus war alles still. Kein Schrei drang aus dem Behandlungszimmer, kein Laut kam von Mr Sorrels Glasharmonika.
    Auf Zehenspitzen ging sie zur Tür und drückte probehalber die Klinke herunter.
    Abgeschlossen.
    Ein Krug Wasser stand da, und Pandora trank einen Schluck, um den größten Durst zu stillen. Als ihr dabei Wasserbläschen im Mund kribbelten, war sie schon drauf und dran auszuspucken, weil sie befürchtete, Madame Orrery wolle sie womöglich vergiften. Aber dann betrachtete sie die Flüssigkeit genauer.
    War dies vielleicht das medizinische Wasser, mit dem Mr Sorrel Madame Orrerys Patienten wiederbelebte? War sie selbst auch hypnotisiert worden?
    Plötzlich hatte sie Angst, Madame Orrery könnte tief in sie hineingeschaut haben. Sie legte sich wieder auf ihr Bett in der Ecke und versuchte fieberhaft, sich an die Ereignisse der vergangenen Nacht zu erinnern.
    Es dauerte nicht lange, da kamen Schritte die Treppe herauf, und Mr Sorrel mit einem Teller gezuckerter Datteln in der Hand schaute herein.
    »Was ist passiert?«, fragte Pandora und drehte sich zu ihm um. »Wie bin ich hierhergekommen?«
    »Madame Orrery hat dich im Heim erwischt«, sagte er hastig flüsternd und gab ihr den Teller. »Sie hat dich gestern Nacht mit nach Hause gebracht. Sie ist höchst ungehalten. Was ist dir aber auch eingefallen, Kind?«
    Mit einem Mal fiel Pandora der dunkellockige Junge ein, und schwach erinnerte sie sich, dass sie mit ihm in der Abstellkammer unter der Treppe gesessen hatte.
    »Cirrus Flux?«, rief sie aus. »Ist er in Sicherheit?«
    »Madame Orrery sagt, du hast ihm zur Flucht verholfen«, sagte Mr Sorrel vorwurfsvoll. »Weißt du, wo er ist?«
    Pandora wollte schon antworten, da fiel ihr auf, dass Mr Sorrel sie merkwürdig ansah, so als verdächtige er sie der Lüge. Sie schüttelte den Kopf, unsicher, ob sie ihm trauen könne.
    »Ich kann mich nicht erinnern«, schwindelte sie und beschloss, die Wahrheit für sich zu behalten.
    Mr Sorrel runzelte ein wenig die Stirn und sah kurz zur Tür hin, als rechne er jeden Moment mit Madame Orrery.
    Pandora sah sich im Zimmer um: schmierige Wände, ein kalter Kamin und ein schmutziges Fenster, das sich nur wenige Zentimeter öffnen ließ … Eine Fluchtmöglichkeit gab es nicht. Sie war tatsächlich gefangen.
    »Was passiert jetzt mit mir?«, fragte sie plötzlich voller Angst davor, was für eine Strafe Madame Orrery sich für sie ausdenken könnte.
    Mr Sorrel zupfte an seinem Ärmel. »Ich weiß es nicht, Kind«, sagte er, ohne ihr in die Augen zu sehen. »Madame Orrery sagt, du musst auf unbestimmte Zeit hier oben bleiben. Eigentlich dürfte ich gar nicht mit

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