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Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab

Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab

Titel: Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Skelton
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aufsteigen.
    Plötzlich hielt er inne.
    Eine der Glasvitrinen enthielt ein Häufchen Federn, die fast so aussahen wie die, die er vor ein paar Wochen unter dem Galgenbaum gesehen hatte: hellgraue Asche und Federreste, die hier und da orangefarben und tiefrot gemasert waren.
    Am Boden der Vitrine fand er ein Schild, auf dem in krakeliger Schrift stand:
     
    Feuervogel, entdeckt an der Küste von Tierra del Fuego. Möglicherweise verwandt mit dem Phönix. Der Vogel baut sein Nest in den Kronen hoher Bäume und schützt es mit einer besonderen Paste gegen Feuer.
     
    Cirrus runzelte die Stirn und bemühte sich, aus der Beschreibung klug zu werden. Gerade wollte er auf seiner Kugel nachsehen, wo Tierra del Fuego lag, da sah er, dass Bottle Top ihn beobachtete.
    »Was hast du da, Cirrus?«, fragte er.
    »Nichts«, sagte Cirrus schnell und steckte die Kugel wieder in sein Hemd.
    »Du lügst, ich hab’s genau gesehen. Du hast was um den Hals hängen.«
    Bottle Top kam von seiner Leiter herunter und ging zu ihm, aber in dem Moment schrillte irgendwo im Museum eine Klingel, und er wandte sich zur Tür.
    »Was ist jetzt los?«, fragte Cirrus und stieg langsam herunter.
    »Zeit für die Abendvorstellung«, sagte Bottle Top. »Ich muss mich fertig machen.«
    Verlegen blieb Cirrus einen Moment am Fuß der Leiter stehen; er wollte sich für seinen Ausbruch entschuldigen, doch bevor ihm die richtigen Worte einfielen, war Bottle Top schon davongelaufen. Schweigend legte Cirrus seinen Lappen weg und folgte ihm.
    Oben schlüpften die anderen Jungen gerade eilig in ihre Jacken und Hemden und trugen Puder auf ihre Wangen auf. Der Geruch nach Parfüm und Schminke hing schwer in der Luft.
    Bottle Top setzte sich vor den Spiegel und betrachtete kritisch sein Gesicht.
    »Gib mir mal die Flasche mit Bleiweiß, ja?«, bat er, als Cirrus hinter ihn trat.
    Cirrus sah sich um, fand eine Flasche mit stark riechendem weißen Puder und gab sie seinem Freund. Der verteilte das Puder über sein ganzes Gesicht.
    Cirrus sah ihn im Spiegel an.
    »Es tut mir leid«, sagte er schließlich.
    »Was?«, sagte Bottle Top und wandte den Blick ab.
    »Was ich vorhin gesagt habe«, sagte Cirrus. »Über deine Mutter. Ich hab’s nicht so gemeint. Bestimmt hat sie dich gemocht.« Er zögerte. »Wie ich auch.«
    Bottle Top legte den Kopf schräg und klatschte noch ein wenig Puder auf sein Kinn. Dann schmatzte er mit den Lippen und öffnete den Mund, um seine Zähne zu begutachten.
    »Halb so schlimm«, sagte er endlich. »Jetzt gib mir meine Flügel.«
    Ratlos sah Cirrus sich um und nahm schließlich eine silbrige Jacke entgegen, die ihm einer der anderen Jungen hinhielt. Zwei überraschend schwere Flügel aus Gänsefedern standen vom Rückenteil ab, und Cirrus musste sich Mühe geben, die Jacke ruhig zu halten, während Bottle Top vorsichtig in die Ärmel fuhr.
    »Du siehst aus wie ein Engel«, sagte Cirrus laut, als Bottle Top das Kostüm an den Schultern zurechtrückte.
    Noch einmal prüfte Bottle Top seine Erscheinung im Spiegel.
    »Ich bin ›Cupido mit dem Funkenkuss‹, sagte er bedeutungsvoll, und auch das Lächeln war ihm wiedergekommen.
    Dann läutete eine Glocke, und sofort schnappten sich die Jungen ihre Perücken von den hölzernen Bettpfosten, an denen sie aufgespießt waren, und trampelten die Treppe hinunter.
    Bottle Top ging langsamer, er musste achtgeben, dass er seine Flügel nicht beschädigte. Cirrus hielt sich ein Stück hinter ihm.
    Zwei Treppen weiter unten stand eine der Türen einen Spalt offen, und als er kurz hineinschaute, sah er Mr Leechcraft an einem Schreibtisch sitzen. Er erkannte ihn kaum wieder. Der Kopf des Mannes war ohne Perücke, kahl und unrasiert, und seine aufgekrempelten Hemdsärmel sahen schäbig und schmuddelig aus. Der ganze Schreibtisch war mit Papieren übersät, und in der Hand hatte Mr Leechcraft einen Stoß Rechnungen, die er anscheinend gerade kontrollierte.
    Er ertappte Cirrus dabei, wie er ihn beobachtete, und schob die Rechnungen zur Seite. Dann erhob er sich, nahm seine Perücke vom Ständer, blies die Kerze aus, kam rasch zur Tür und griff unterwegs nach Gehrock und Stock. Als er auf dem Flur stand, war er ein anderer Mensch.
    »Bist du fertig, mein Junge?«, sagte er zu Bottle Top, der in der Nähe stand.
    Bottle Top holte tief Luft und nickte. Ein Schwall Puder stäubte zu Boden.
    »Schön. Mach deine Sache gut heute Abend«, sagte Mr Leechcraft. »Dann wird wohl ein zusätzlicher Shilling für dich

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