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Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab

Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab

Titel: Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Skelton
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»Das ist nicht recht. Sie dürften nicht einfach so vor sich hin modern.«
    Eine der Vitrinen war besonders staubig, und als er gegen das Glas blies, wurde ein kleiner gesprenkelter Vogel dahinter sichtbar. Er hatte prunkvoll gefiederten Kopfschmuck und einen breiten, weit aufgerissenen Schnabel. Cirrus rieb über das Schild an dem Glas: ›Junger Ziegenmelker‹ stand darauf, ›heimisch in Australasia‹. Er nestelte an der Kugel an seinem Hals – später würde er nachsehen, wo dieses Land liegen mochte.
    Bottle Top beobachtete ihn aufmerksam.
    »Was beschäftigt dich, Cirrus?«, sagte er. »Gibt’s was, das du mir nicht gesagt hast?«
    Cirrus schüttelte den Kopf.
    »Gefällt es dir hier im Museum nicht?«
    Cirrus zögerte. »Das ist es nicht«, sagte er und brachte die Schnur um seinen Hals wieder in Ordnung. »Nur, ich habe gerade an das Findelhaus gedacht. Ich war gestern nicht ganz ehrlich, als ich dir erzählte, warum ich weggelaufen bin.«
    Bottle Top stand von der Bank auf, zog eine andere Leiter heran und stieg hinauf, sodass er auf Augenhöhe mit seinem Freund war.
    »Erzähl«, sagte er.
    Cirrus schwieg eine Weile und staubte ein ums andere Mal dasselbe Glasgefäß ab. Endlich erzählte er Bottle Top, wie er gestern heimlich im Zimmer des Vorstehers gewesen war und ein Buch mit Namen und Nummern gefunden hatte.
    »Auch Erkennungszeichen waren da«, sagte er. »In den Schubladen. Für jedes Kind eines, glaube ich. Andenken, Briefe mit traurigen Texten von Müttern, die ihre Babys im Heim zurücklassen mussten.« Er holte tief Luft. »Aber für mich gab es so etwas nicht.«
    Bottle Top sah ihn nachdenklich an. »Ich verstehe nicht, warum du dich so aufregst«, sagte er schließlich. »Wir sind doch alle im Heim abgegeben worden, Cirrus. Keiner von uns war je erwünscht. Wirklich nicht. Deshalb müssen wir uns jetzt umeinander kümmern.«
    »Das ist nicht alles«, sagte Cirrus, der sich langsam an die Wahrheit herantastete. »Ich habe herausgefunden, wer mich dort abgegeben hat.« Er griff nach den Leiterholmen und starrte vor sich hin. »Mein Vater«, gestand er.
    »Dein Vater?«
    Cirrus nickte, er zitterte. »Er hat Geld gezahlt, damit er mich loswird!«
    Bottle Top blieb der Mund offen stehen.
    »Wie viel hat er bezahlt?«, flüsterte er.
    Cirrus wischte immer noch an der Glasvitrine des Ziegenmelkers herum und tat, als hätte er nicht verstanden.
    »Wie viel?«, fragte Bottle Top noch einmal.
    »100 Pfund«, sagte Cirrus leise.
    Bottle Top stand jetzt die helle Aufregung im Gesicht. »100 Pfund! Du weißt schon, was das bedeutet, oder?« Er griff nach Cirrus’ Arm.
    Cirrus hörte mit dem Putzen und Polieren auf und betrachtete finster sein Spiegelbild. »Es bedeutet, dass mich niemand haben wollte«, sagte er. »Und zwar so wenig haben wollte, dass mein Vater sogar dafür zahlte, mich loszuwerden. Ich muss eine große Enttäuschung gewesen sein.«
    »Quatsch«, sagte Bottle Top. »Es bedeutet, dass du aus einer wohlhabenden Familie stammst, Cirrus! Vielleicht sogar aus einer adligen! Nur ein reicher Herr kann sich eine solche Summe leisten! Ich hab immer geahnt, dass du was Besonderes bist!«
    Cirrus schlug seine Hand weg und starrte auf den Vogel im Glasbehälter.
    »Was soll das heißen?«, fuhr er Bottle Top an.
    »Nur was ich sage«, antwortete Bottle Top. »Du warst immer der Liebling des Vorstehers. Alle fanden das.« Sein Blick leuchtete auf. »Vielleicht gehörst du sogar zur königlichen Familie!«
    »Ach, was weißt denn du!«, sagte Cirrus wütend und sprang von der Leiter. »Dich hat deine Mutter wahrscheinlich abgegeben, sobald sie dich zu Gesicht bekommen hat.«
    Ehe Cirrus noch etwas sagen konnte, was er später bereuen würde, stürmte er zur anderen Seite des Raumes und stieg wieder eine Leiter hinauf, um seinen Gefühlssturm vor Bottle Top zu verbergen. Er ärgerte sich über den Freund, der kein Verständnis für seine Empfindungen zeigte, er war wütend auf seinen Vater, der ihn verlassen hatte, und enttäuscht von Mr Chalfont, der nur zu bereit war, sich mit dem Mann aus Black Mary’s Hole einzulassen; so viel konnte er dem Vorsteher wohl nicht bedeutet haben … Auf einmal fühlte sich Cirrus sehr allein auf der Welt.
    Bottle Top schwieg.
    Schwer atmend machte sich Cirrus an die restlichen Glasbehälter, von denen manche aussahen, als wären sie eine Ewigkeit nicht geputzt worden. Missmutig wischte er mit dem Lappen darüber hin und ließ kleine Staubwolken

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