City of Death - Blutiges Erbe (German Edition)
spürte. Mein Sichtfeld drehte sich, aber ich bekam noch mit, wie er sich den Do lch aus der Brust riss und mich
anfauchte. Mein Handy rutschte mir aus der Hand und fiel auf den Boden.
»Cherry, was ist? Was ist los?«, hörte ich Wills Stimme rufen.
Zu meiner Überraschung griff mich Blondi jedoch nicht an, sondern schnappte sich seinen Kumpel und stürmte aus dem Waggon. Sein Freund hinterließ blutige Spuren auf dem Boden und würde wohl noch ein paar Stunden brauchen, um sich zu regenerieren. Bei jungen Vampiren war der Selbstheilungsprozess noch nicht so stark ausgeprägt wie bei älteren ; außerdem würde das Silber die Heilung noch einmal verlangsamen.
»Cherry!« Jetzt klang Will alarmiert.
Ich rieb mir die Stirn und duckte mich, um das Handy aufzuheben. Das war ein Fehler, denn jetzt kam der Schmerz mit voller Wucht. Ich stöhnte, weil mein Kopf sich anfühlte, als würde er jeden Moment explodieren, dennoch bekam ich mein Handy zu fassen. »Sie sind mir entwischt«, sagte ich und rieb mir die Schläfe.
»Bist du verletzt?«
»Nein , nein, mir geht es gut.« Mir war ein bisschen schwindlig, aber wenigstens war ich unverletzt. Als sich die Waggontüren schließen wollten, packte ich meine Tasche und den Dolch und sprang aus dem Abteil. Ich sah mich nach allen Seiten nach den Vampiren um, schaute sogar am Rand der Gleise nach, doch sie waren verschwunden.
»Konntest du herausfinden, wem die Vampire gehörten?«, fragte Will.
»Das ist das Problem. Sie sind Außenseiter und sagen, sie kennen ihren Meister nicht, was wahrscheinlich gelogen ist.«
»Ich glaube, sie sagen die Wahrheit. Vor einer halben Stunde habe ich von vier weiteren Fällen erfahren. Jeder Angriff fand in einem anderen Bezirk statt, und immer waren es Außenseiter.«
»Was?«, fragte ich geschockt und blieb stehen. So viele Angriffe hatte es in den letzten zehn Jahren nicht gegeben, nicht auf Menschen jedenfalls und auch nicht so auffällig. Das war wirklich beunruhigend. »Konntet ihr herausfinden, warum sie das tun und wer sie beauftragt hat?«
Will schwieg einen Moment. »Glaub mir, ich habe mein Möglichstes getan, doch sie wissen nichts.«
Ich schluckte. Wenn Will ‚mein Möglichstes‘ sagte, dann meinte er damit Foltermethoden, über die ich nicht einmal nachdenken wollte. In meiner Gegenwart hatte er seine dunkle Seite nie durchscheinen lassen, aber viele kannten ihn als kaltblütigen Ranger. Es war zwar schwer, sich das vorzustellen, aber den Ruf hatte er sicher nicht ohne Grund. »Und was machen wir jetzt?«
» Wir machen überhaupt nichts. Du solltest schleunigst nach Hause gehen, denn soweit wir wissen, werden heute Nacht weitere Angriffe folgen. Um die Außenseiter kümmern wir Ranger uns.«
Sein Tonfall machte deutlich, dass es keine Widerrede gab. Nach kurzem Zögern lenkte ich ein. So gern ich auch geholfen hätte, aber die Kopfschmerzen machten mich fertig. Ich wollte nur noch Paracetamol einwerfen und schlafen. »Okay, dann gehe ich jetzt nach Hause. Aber halt mich auf dem Laufenden, ja?«
»Ja«, sagte er kurz angebunden und legte auf.
Ob er sauer war, weil ich nur wegen der Vampire angerufen hatte? Sofort plagte mich das schlechte Gewissen, denn Will hatte schon viel für mich getan , und ich hatte mich nie dafür revanchiert. Ich seufzte und lief den Bahnhof Hallesches Tor entlang. Er war menschenleer, trotzdem ließ ich mein Buch diesmal in der Tasche. Ich wollte nicht noch einmal von Vampiren überrascht werden.
Zwanzig Minuten später war ich zu Hause und staunte nicht schlecht, als ich ein edles Seidenkärtchen in meinem Briefkasten vorfand. Ich dachte zuerst an Will, weil er mir auch einmal so eines geschrieben hatte, aber als ich die Wohnungstür aufschloss, meine Tasche und die andere Post in die Ecke warf und den Brief öffnete, fiel mir Andres Name in den Blick. Andre Higgs war Wills bester Freund und ein Vampir. Er war Ranger vom Bezirk Charlottenburg und seit zwei Wochen mit meiner besten Freundin Stacy zusammen.
Seine Handschrift war mehr als sauber und erinnerte an eine Zeit, in der Männer noch Wert darauf gelegt hatten. Es war eine Einladung zu seinem 235. Geburtstag. Die Party würde nächste Woche am Freitag in seiner Villa stattfinden. Ich legte das Kärtchen in mein neues Bücherregal, das ich mir von meinem Schmerzensgeld geleistet hatte, und zog die Schuhe aus. Als Viktor und Fabio vor ein paar Monaten von den Scharfrichtern verurteilt worden waren, weil sie uns angegriffen und
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