City of Lost Souls
und schließlich auch Magnus nahmen jenseits der Kreislinie jeweils eine Position ein, die einer der vier Himmelsrichtungen entsprach. Magnus las währenddessen in einer Art Singsang aus dem Handbuch Verbotene Riten vor und seine Stimme hob und senkte sich wie im Gebet. Doch die lateinischen Worte, die er sprach, klangen wie die verdrehte, düstere Version einer Anrufung Gottes.
Die Flammen loderten auf und die in den Boden geritzten Symbole begannen, schwarz zu schwelen. Miau Tse-tung, der das Ganze aus einer Ecke des Wohnzimmers beobachtet hatte, fauchte verängstigt und floh in die Schatten. Die bläulich weißen Flammen flackerten immer höher, bis Simon Magnus auf der anderen Seite des Pentagramms kaum noch erkennen konnte. Im Raum wurde es nun immer wärmer, während der Hexenmeister die Formeln immer schneller psalmodierte, die feuchte Hitze seine schwarzen Haare kräuselte und sich Schweißperlen auf seinen Wangenknochen bildeten. »Quod tumeraris: per Jehovam, Gehennam, et consecratam aquam quam nunc spargo, signumque crucis quod nunc facio, et per vota nostra, ipse nunc surgat nobis dicatus Azazel!«
Plötzlich schoss aus der Mitte des Pentagramms eine Stichflamme empor. Eine dicke schwarze Rauchsäule stieg auf, verteilte sich langsam durch den Raum und verursachte bei allen Anwesenden, bis auf Simon, einen unangenehmen Hustenanfall. Dann begann der Rauch, wie ein Mahlstrom zu wirbeln und sich allmählich zu der Gestalt eines Mannes zu verdichten.
Simon blinzelte verwundert. Er wusste zwar nicht, was er erwartet hatte, doch mit diesem Anblick hatte er nicht gerechnet: In der Mitte des Pentagramms stand ein hochgewachsener, breitschultriger Mann mit kastanienbraunen Haaren, der weder jung noch alt zu sein schien – sein altersloses Gesicht wirkte unmenschlich und kalt. Er trug einen eleganten schwarzen Anzug und glänzende schwarze Schuhe. Dunkelrote Striemen um seine Handgelenke zeugten von einer Art Fesselung – aus Seil oder Metall – , die im Laufe vieler Jahre deutliche Spuren auf seiner Haut hinterlassen hatte. In seinen Augen loderten rote Flammen.
»Wer wagt es, Azazel heraufzubeschwören?«, fragte er fordernd; seine Stimme klang wie das Schleifen von Metall auf Metall.
»Ich!«, erwiderte Magnus und klappte das Buch in seinen Händen resolut zu. »Magnus Bane.«
Langsam wandte Azazel den Kopf, der sich unnatürlich auf seinem Hals zu drehen schien wie bei einer Schlange. »Hexenmeister«, knurrte er, »ich weiß, wer du bist.«
Spöttisch hob Magnus eine Augenbraue. »Tatsächlich?«
»Beschwörer. Bändiger. Vernichter des Dämons Marbas. Sohn des … «
»Danke, das reicht!«, warf Magnus hastig ein. »Es gibt nicht den geringsten Grund, hier ins Detail zu gehen.«
»Doch, doch, den gibt es durchaus«, widersprach Azazel in vernünftigem, fast schon amüsiertem Ton. »Wenn du infernalische Unterstützung suchst, warum hast du dann nicht deinen Vater heraufbeschworen?«
Alec starrte Magnus mit offenem Mund an und Simon empfand Mitleid mit dem jungen Schattenjäger. Keiner von ihnen hatte wohl vermutet, dass der Hexenmeister selbst wusste, wer sein Vater war – abgesehen von dem Umstand, dass es sich um einen Dämon handelte, der Magnus’ Mutter vorgegaukelt hatte, er sei ihr Ehemann. Ganz offensichtlich wusste Alec darüber auch nicht mehr als die anderen – worüber er wahrscheinlich nicht allzu glücklich war, überlegte Simon.
»Mein Vater und ich stehen nicht auf besonders gutem Fuß miteinander«, erklärte Magnus. »Mir wäre es lieber, ihn nicht zu involvieren.«
Azazel hob die Hände. »Wie du wünschst, Gebieter. Du bindest mich innerhalb des Siegels. Was verlangst du von mir?«
Obwohl Magnus schwieg, ließ sich an Azazels Miene ablesen, dass der Hexenmeister auf telepathischem Wege mit ihm kommunizierte. Die Flammen in den Augen des Dämons loderten und tanzten wie bei Kindern, die begierig einer Geschichte lauschten.
»Ganz schön clever, diese Lilith«, bemerkte der Dämon schließlich. »Ziemlich raffiniert von ihr, den Jungen von den Toten wiederzuerwecken und sein Überleben zu sichern, indem sie ihn mit jemandem verbindet, dessen Tod ihr nicht riskieren wollt. Sie war schon immer sehr gut darin, menschliche Gefühle zu manipulieren, viel besser als die meisten von uns. Vermutlich weil sie selbst einst fast menschlich war.«
»Und?«, fragte Magnus ungeduldig. »Gibt es eine Möglichkeit, den Bund zwischen den beiden zu zertrennen?«
Azazel schüttelte den
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