City of Lost Souls
alles, was ich damit sagen wollte«, erklärte Jordan.
»Wenn sie bei Camille wäre, würde sie nicht in diesem Tempo morden«, warf Raphael ein. »Camille würde sie daran hindern. Sie mag zwar blutrünstig sein, aber sie kennt auch das Gesetz – und die Division! Sie würde dafür sorgen, dass Maureen mit ihren Aktivitäten außerhalb deren Sichtweite bleibt. Nein, Maureens Verhalten trägt alle Kennzeichen eines Vampirs, der bösartig geworden ist.«
»Dann hast du wohl recht«, sagte Jordan und lehnte sich zurück. »Nick sollte tatsächlich Verstärkung bekommen oder … «
»… Oder es könnte ihm etwas zustoßen? Vielleicht würde dir das ja helfen, dich in Zukunft besser auf deine Aufgaben zu konzentrieren. Auf deinen eigenen Schutzbefohlenen«, meinte Praetor Scott.
Jordan starrte ihn einen Moment sprachlos an. »Simon ist nicht für Maureens Verwandlung verantwortlich«, protestierte er. »Das hab ich doch schon erklärt … «
Doch Scott wischte Jordans Einwand mit einer Handbewegung beiseite. »Ja, das weiß ich. Sonst hätten wir dich längst von diesem Auftrag abgezogen, Kyle. Aber dein Schützling hat sie nun einmal gebissen, noch dazu unter deiner Aufsicht. Und ihre Beziehung zum Tageslichtler – so weit hergeholt sie auch sein mag – ist der Grund dafür, dass sie letztendlich verwandelt wurde.«
»Der Tageslichtler ist gefährlich«, tönte Raphael mit glitzernden Augen. »Das hab ich schon immer gesagt.«
»Nein, er ist nicht gefährlich!«, protestierte Maia energisch. »Simon hat ein gutes Herz.« Aus dem Augenwinkel sah sie, dass Jordan ihr einen kurzen Seitenblick zuwarf, aber der Moment war so schnell vorüber, dass sie sich fragte, ob sie sich das nur eingebildet hatte.
»Blablabla«, erwiderte Raphael abschätzig. »Ihr Werwölfe scheint euch nicht auf die aktuelle Angelegenheit konzentrieren zu können. Ich habe Ihnen vertraut, Praetor, denn Schattenwesen-Frischlinge sind Ihr Aufgabengebiet. Aber wenn Maureen weiterhin wie eine Wilde durch New York zieht, wirft das ein schlechtes Licht auf meinen Clan. Wenn ihr sie nicht bald findet, werde ich jeden verfügbaren Vampir herbeirufen. Denn letztendlich … «, schloss er und grinste, wodurch seine spitzen Fangzähne zum Vorschein kamen, »letztendlich ist es unsere Aufgabe, sie zu töten.«
Nach dem Abendessen schlenderten Clary und Jace zur Wohnung zurück. Nebel zog durch die menschenleeren Gassen und das Wasser in den Kanälen glitzerte wie Glas. Als sie um eine Ecke bogen, standen sie plötzlich an einem stillen Kanal, der auf beiden Seiten von alten Häusern flankiert wurde. Die Fensterläden waren bereits geschlossen. Boote schaukelten sanft auf den Fluten, jedes ein schwarzer Halbmond auf der Wasseroberfläche.
Jace lachte leise und löste seine Hand aus Clarys. Im Schein der Straßenlaterne leuchteten seine Augen golden. Er ging zum Rand des Kanals und kniete sich hin.
Im nächsten Moment sah Clary, wie eine Stele weißsilbern aufblitzte, und dann löste sich eines der Boote aus seiner Vertäuung und trieb langsam vom Ufer weg.
Rasch steckte Jace die Stele zurück in seinen Gürtel, machte einen Satz und landete leichtfüßig auf der Holzbank im Bug des Boots. Dann streckte er Clary die Hand entgegen. »Komm.«
Zweifelnd schaute Clary von Jace zum Boot und schüttelte den Kopf. Es war kaum größer als ein Kanu und schwarz gestrichen; allerdings wirkte die Farbe feucht und das Holz war an mehreren Stellen gesplittert. Das Boot erschien ihr so klein und zerbrechlich wie ein Spielzeug. Vor ihrem inneren Auge sah Clary bereits, wie sie es zum Kentern brachte und sie beide im eisgrünen Kanal landeten. »Ich kann nicht. Wenn ich reinspringe, kippt es bestimmt um.«
Ungeduldig schüttelte Jace den Kopf. »Du schaffst das schon«, sagte er. »Schließlich hab ich dich trainiert.« Und wie zum Beweis trat er einen Schritt zurück, auf den schmalen Bootsrand direkt neben der Ruderdolle, und schaute zu Clary hinüber, den Mund zu einem amüsierten Grinsen verzogen.
Nach allen physikalischen Gesetzen hätte das Boot eigentlich seitlich kentern müssen, überlegte Clary. Doch Jace balancierte leicht und mit geradem Rücken auf dem Dollbord, als würde er aus nichts als Rauch bestehen. Hinter ihm erhob sich eine Kulisse aus Wasser und Stein, Kanal und Brücken; weit und breit war kein einziges modernes Gebäude in Sicht. Mit seinen leuchtenden Haaren und seiner stolzen Haltung sah er aus wie ein Adeliger aus der
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