City of Lost Souls
T-Shirt und auf ihrer nackten Haut. Hastig schob Clary die Träger ihres Kleides wieder hoch, schwankte zum Vorhang und riss ihn beiseite.
Die Engelsstatue sah nicht mehr so aus, wie Clary sie in Erinnerung hatte: Die schwarzen Schwingen hatten sich in Fledermausflügel verwandelt, das anmutige, gütige Gesicht war zu einer höhnischen Fratze verzogen. Von der gesamten Gewölbedecke hingen an verdrehten Seilen die Leichen von Männern, Frauen und Kindern – mit aufgeschlitzten Kehlen, aus denen das Blut wie Regen herabtropfte. Die Springbrunnen spuckten pulsierendes Blut und auf der Oberfläche der roten Flüssigkeit schwammen keine Blütenblätter, sondern abgetrennte Hände. Auch die sich windenden Tänzer waren blutgetränkt.
Während Clary sich fassungslos umsah, kam ein Paar an ihr vorbei: ein groß gewachsener bleicher Mann mit einer Frau, die mit zerfetzter Kehle schlaff in seinen Armen lag. Sie war eindeutig tot. Der Mann fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und beugte sich erneut über ihren Hals; doch zuvor warf er Clary noch einen Blick zu und grinste. Sein Gesicht war verschmiert von Blut und silbriger Flüssigkeit. Clary spürte Jace’ Hand an ihrem Arm; er versuchte, sie in den Alkoven zurückzuziehen, doch sie riss sich los. Stumm starrte sie auf die Wasserbecken an einer der Wände. Sie hatte angenommen, dass leuchtend bunte Fische darin schwimmen würden. Doch die Flüssigkeit war trübe und schlammig und Wasserleichen trieben darin; ihre Haare schwebten um sie herum wie die Nesselfäden fluoreszierender Quallen. Unwillkürlich musste Clary an Sebastian denken und daran, wie er in dem Glassarg geschwebt hatte. Ein Schrei bildete sich tief in ihrer Kehle, doch sie unterdrückte ihn, als plötzlich Stille und Dunkelheit sie übermannten.
14 Schutt und Asche
Langsam erwachte Clary aus ihrer Ohnmacht – begleitet von demselben Schwindelgefühl, das sie vom ersten Morgen im Institut kannte, als sie völlig orientierungslos zu sich gekommen war. Ihr ganzer Körper schmerzte und ihr Kopf fühlte sich an, als hätte ihn jemand mit einer Hantel traktiert. Sie lag auf der Seite, ihre Wange auf rauem Untergrund, und irgendetwas Schweres drückte auf ihre Schulter. Als sie an sich hinunterschaute, entdeckte sie eine schlanke Hand, die schützend auf ihr Brustbein gepresst war. Clary erkannte die Runenmale, die verblassten weißen Narben und sogar das blaue Muster der Adern auf seinem Unterarm. Das beklemmende Gefühl in ihrer Brust ließ nach, sie schlüpfte vorsichtig unter Jace’ Arm hervor und setzte sich auf.
Sie befanden sich in seinem Zimmer. Clary erkannte das an der peniblen Ordnung und dem sorgfältig gemachten Bett mit dem fest eingesteckten Laken, das sogar jetzt noch fast unberührt aussah. Jace schlief, halb gegen das Kopfbrett gelehnt und in denselben Kleidern, die er auch am Abend zuvor getragen hatte, einschließlich seiner Schuhe. Offenbar war er eingenickt, während er Clary im Arm gehalten hatte. Aber daran erinnern konnte sie sich nicht. Seine Haare waren noch immer mit der seltsamen silbrigen Substanz aus dem Nachtclub übersät.
Jace bewegte sich, als spürte er, dass Clary sich aus seiner Umarmung gelöst hatte. Dann schlang er den nun freien Arm um seinen eigenen Körper. Er schien nicht verletzt oder verwundet zu sein, lediglich erschöpft, stellte Clary fest und betrachtete seine langen dunkelgoldenen Wimpern, die sich in die leichte Vertiefung unterhalb seiner Augen schmiegten. Während er so friedlich schlief, wirkte er irgendwie verwundbar – wie ein kleiner Junge. Er hätte ihr Jace sein können.
Doch das war er nicht. Plötzlich erinnerte Clary sich wieder an den Nachtclub, an seine Hände auf ihrem Körper, an die Leichen und das Blut. Ihr Magen revoltierte und sie schlug sich rasch eine Hand vor den Mund, um den Brechreiz zu unterdrücken. Schon bei dem Gedanken daran wurde ihr schlecht, aber sie spürte noch etwas anderes – ein unangenehmes Prickeln, das nagende Gefühl, dass irgendetwas fehlte.
Irgendetwas Wichtiges.
»Clary.«
Sie drehte sich um.
Jace hatte die Augen halb geöffnet und schaute sie unter seinen langen Wimpern an; das Gold seiner Pupillen wirkte matt vor Erschöpfung. »Warum bist du wach?«, fragte er. »Es ist noch viel zu früh.«
Clarys Hände nestelten an der Bettdecke herum. »Gestern Nacht … «, setzte sie mit zittriger Stimme an. »Die Leichen … das ganze Blut … «
»Die was?«
»Das ist zumindest das, was ich gesehen
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