City of Lost Souls
Neugier geweckt.«
»Es handelt sich um eine ziemlich dringende Angelegenheit«, sagte Maia. »Luke Garroway, der Anführer unseres Rudels … «
Doch Scott warf Maia einen Blick zu, der sie augenblicklich verstummen ließ. Er mochte zwar keinem Rudel angehören, aber er war ein Alphatier – das ging aus seinem gesamten Verhalten hervor. »Die Praetor bestimmen selbst, welche Angelegenheiten sie als dringend erachten«, teilte er Maia kühl mit und musterte sie aus graugrünen Augen. An seiner Kehle, unter dem Kragen seines Hemds, glitzerte der Bronzeanhänger der Praetor Lupus mit dem Abdruck einer Wolfstatze. »Und wir sind auch kein Hotel, das ungeladenen Gästen offen steht. Jordan hat dich auf gut Glück hierhergebracht, und das weiß er auch. Wäre er nicht einer unserer vielversprechendsten Absolventen, würde ich euch wahrscheinlich beide wieder fortschicken.«
Jordan schob die Daumen in die Gürtelschlaufen seiner Jeans und schaute betreten zu Boden.
Doch einen Augenblick später legte Praetor Scott ihm eine Hand auf die Schulter. »Aber du bist nun mal einer unserer vielversprechendsten Absolventen«, sagte er. »Und du wirkst erschöpft. Ich kann dir ansehen, dass du die ganze Nacht auf den Beinen gewesen bist. Kommt, wir besprechen das Ganze in meinem Büro.«
Scotts Büro lag am Ende eines langen verwinkelten Flurs, der mit eleganten dunklen Holzvertäfelungen versehen war. Durch das Gebäude hallten fröhliche Stimmen und ein Schild mit der Aufschrift »HAUSORDNUNG« hing an der Wand neben dem Treppenhaus.
HAUSORDNUNG
– Kein Gestaltwandeln in den Fluren.
– Kein Heulen.
– Kein Silber.
– Das Tragen von Kleidung ist
vorgeschrieben. ZU JEDER TAGES- UND
NACHTZEIT.
– Keine Kämpfe. Keine Beißereien.
– Alle Lebensmittel müssen namentlich
gekennzeichnet sein, ehe sie in den
Gemeinschaftskühlschrank gestellt
werden.
Der Duft von frisch zubereitetem Frühstück wehte durch die Gänge und ließ Maias Magen knurren.
Praetor Scott lächelte. »Ich lass uns einen Teller mit ein paar Häppchen kommen, falls ihr Hunger habt«, bemerkte er amüsiert.
»Danke«, murmelte Maia.
Inzwischen hatten sie das Ende des Flurs erreicht und Scott öffnete eine Tür mit der Aufschrift »BÜRO«. Doch im nächsten Augenblick runzelte er die Stirn. »Rufus«, sagte er. »Was machst du denn hier?«
Maia spähte an Scott vorbei. Das Büro war ein großer Raum, in dem ein liebenswertes Durcheinander herrschte. Ein rechteckiges Panoramafenster ging auf eine weitläufige Rasenfläche hinaus, auf der sich mehrere Gruppen hauptsächlich junger Leute in schwarzen Trainingssachen tummelten und offensichtlich Frühsport betrieben. Die Wände des Büros waren von Regalen gesäumt, in denen etliche Bücher zum Thema »Lykanthropie« standen. Die meisten waren in Latein verfasst, aber Maia erkannte das Wort lupus .
Scotts Schreibtisch bestand aus einer schweren Marmorplatte, die auf den Statuen zweier knurrender Wölfe ruhte. Davor standen zwei Stühle. Und auf einem dieser Stühle saß ein großer Mann – ein Werwolf – leicht nach vorn gebeugt und mit verschränkten Händen.
»Praetor«, setzte er mit tiefer, heiserer Stimme an. »Ich hatte gehofft, mit Ihnen über diesen Vorfall in Boston reden zu können.«
»Du meinst den Vorfall, bei dem du deinem dir anvertrauten Schützling das Bein gebrochen hast?«, erwiderte Scott trocken. »Darüber werden wir selbstverständlich noch reden, Rufus, aber nicht jetzt. Im Moment erfordert eine dringendere Angelegenheit meine Aufmerksamkeit.«
»Aber, Praetor … «
»Das wäre dann alles, Rufus«, entgegnete Scott im dominanten Tonfall eines Alphawolfs, dessen Befehlen nicht widersprochen werden durfte. »Denk daran: Dies ist ein Ort zur Resozialisierung. Und dazu gehört auch, dass man lernt, Autoritäten zu respektieren.«
Rufus gab ein unterdrücktes Knurren von sich und erhob sich von seinem Stuhl. Erst in diesem Moment wurde Maia bewusst, wie groß der Werwolf mit dem glatt rasierten Schädel tatsächlich war: Er ragte turmhoch über ihr und sogar über Jordan auf und sein schwarzes T-Shirt spannte über einer gewaltigen Brust und massiven Oberarmmuskeln. Auf seiner Wange prangten mehrere tiefe, von Krallen verursachte Narben wie Furchen in einem Ackerboden. Finster musterte er Maia, dann marschierte er an den dreien vorbei und hinaus in den Flur.
»Offensichtlich sind manche von uns leichter zu resozialisieren als andere«, murmelte Jordan in Richtung der
Weitere Kostenlose Bücher