City - V3
unseren Kühen stammte.«
Er blinzelte Grant listig zu. »Suchen Sie auch alte Straßen?«
»Nein, ich mache eine Volkszählung.«
»Was tun Sie?«
»Volkszählung«, wiederholte Grant. »Ich notiere Ihren Namen, Alter und Wohnort.«
»Warum?«
»Weil es die Regierung wissen will«, erklärte Grant.
»Wir wollen nichts von der Regierung. Warum läßt sie uns nicht auch in Ruhe?« brummte Dave.
»Die Regierung wird Sie nicht belästigen«, erklärte ihm Grant. »Vielleicht bezahlt sie Ihnen
eines Tages sogar noch etwas.«
»Das ist etwas anderes«, beruhigte sich der Alte.
Sie saßen auf dem Zaun und ließen ihre Blicke über die Felder wandern. Aus einem Kamin, der
versteckt in dem sonnenbeschienenen Tal lag, stieg Rauch gegen den Himmel. Ein Bach schlängelte
sich durch die herbstlichen Wiesen, und dahinter zogen sich Reihen goldfarbener Ahornbäume den
Berghang hinan.
Grant fühlte, wie die Herbstsonne seinen Rücken wärmte und nahm den Duft der Stoppelfelder tief
in sich auf.
»Ein glückliches Leben«, sagte er vor sich hin. »Eine gute Ernte, genügend Brennholz und viel
Jagdwild. Wirklich, ein geruhsames Leben.«
Er betrachtete den alten Mann neben sich, sah die sorglosen Runzeln des Alters, die sich um die
freundlichen Augen zogen, und versuchte, sich ein Leben in dieser einfachen, ländlichen Umgebung
vorzustellen. Ein anspruchsloses Leben, wie es die alten Pioniere geführt hatten, mit all seinen
Vorzügen, aber ohne seine Gefahren.
Der alte Dave nahm seine Pfeife aus dem Mund. Er zeigte auf die Felder. »Da ist noch ein Haufen
Arbeit zu tun. Aber es geht nicht weiter. Diese Jungen sind keinen Schuß Pulver wert. Nichts als
die Jagd haben sie im Schädel. Höchstens noch Fischen. Die Maschinen sind auch alle
zusammengebrochen. Joe war schon eine ganze Weile nicht mehr hier. Der versteht etwas von
Maschinen.«
»Ist Joe Ihr Sohn?«
»Nein, das ist so ein verrückter Kerl, der da irgendwo im Wald haust. Kommt einfach angetrabt,
repariert alles, was ihm in die Finger kommt, und wandert wieder ab. Spricht kaum, wartet nie,
bis man ihm dankt. Läuft einfach weg. Das treibt er nun schon jahrelang. Großvater erzählte mir,
daß er schon kam, als er noch klein war. Und er kommt noch immer.«
Grant schnappte nach Luft. »Das kann doch nicht der gleiche Mann sein!«
»Es ist aber so«, behauptete Dave. »Sie werden es nicht glauben, aber er ist keinen Tag älter
geworden, seitdem ich ihn zum erstenmal gesehen habe. Komischer Kauz! Man erzählt sich allerhand
wilde Geschichten von ihm. Großvater erzählte uns immer, wie er mit den Ameisen herumgespielt
hat.«
»Mit Ameisen?«
»Sicher. Er baute ein Glashaus über einen Ameisenhaufen und heizte es im Winter, sagte Großvater.
Er will es selbst gesehen haben. Aber ich glaube kein Wort davon. Großvater war der größte Lügner
in sieben Ländern. Das hat er selbst zugegeben.«
Eine Glocke ertönte aus dem sonnigen Tal.
Der Alte kletterte vom Zaun, klopfte seine Pfeife aus und blinzelte in die Sonne. Wieder erklang
die Glocke durch die herbstliche Stille.
»Das gilt mir«, sagte Dave. »Das Abendessen ist fertig. Wahrscheinlich gibt es Knödel mit
Eichhörnchenfleisch. Wir müssen uns beeilen.«
Ein verrückter Kerl, der alle möglichen Dinge reparierte und keinen Dank abwartete. Ein Mensch,
der noch genauso aussah wie vor hundert Jahren. Ein Mann, der ein Glashaus über einem
Ameisenhaufen errichtete und es im Winter heizte.
Es klang unwahrscheinlich und sinnlos, und doch hatte der alte Baxter nicht gelogen. Es war keine
der Geschichten, die plötzlich auftauchten und viele Jahre unter den Hinterwäldlern weiterlebte,
um schließlich den Charakter einer Sage anzunehmen.
Alle Volkssagen haben eine gewisse Ähnlichkeit, sie sind nach einem bestimmten Muster aufgezogen
und daher sofort als solche erkennbar. Das war aber hier nicht der Fall. Witz und Humor,
kennzeichnend für die alten Sagen, fehlten hier. Auch für den Hinterwäldler hat ein geheiztes
Glashaus über einem Ameisenhügel nichts Humorvolles. Für eine witzige Erzählung fehlte hier die
Pointe.
Grant bewegte sich unruhig auf dem Maislager und zog die Decke enger um sich.
Komisch, dachte er, wo ich überall übernachte. Heute ein Maislager, gestern ein offenes
Lagerfeuer und vorgestern das weiche Bett und die sauberen Leinentücher in Websters Haus.
Der Wind strich vom Tale herauf und bewegte eine der Schindeln auf dem Dach. Eine Maus knabberte
irgendwo in der Dunkelheit, und
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