City - V3
Entfaltung.
Auch heute noch werden die Fähigkeiten der Mutanten, die uns bekannt sind, von unserer
Lebensauffassung gehemmt. Sie bewegen sich noch immer allzusehr in der ausgetretenen Bahn unserer
Logik.
Aber irgendwo in der Welt gab es Dutzende, wenn nicht gar Hunderte von Menschen mit
übermenschlichen Fähigkeiten, die von der Starrheit der menschlichen Gedankenwelt unberührt
blieben. Deren Fähigkeiten unbeeinflußt waren von dem ausgefahrenen Gleis unserer Logik.
Aus seiner Mappe brachte Grant ein unscheinbares Bündel Papiere zum Vorschein, die mit einer
Klammer zusammengehalten wurden. Beinahe ehrfurchtsvoll las er den Titel: »Unvollendete
philosophische Propositionen und Anmerkungen von Juwain.«
Es würde eines Geistes bedürfen, der von keiner menschlichen Logik beeinflußt und ungehindert von
der viertausend Jahre alten Gedankenwelt der Menschen war, um die Arbeit des großen Philosophen
vom Mars dort fortzusetzen, wo der Tod sie unterbrochen hatte. Eine Arbeit, die zu einem
einfacheren und leichteren Leben führen sollte. Eine Philosophie, durch die die Entwicklung der
Menschheit in zwei Generationen um hunderttausend Jahre vorwärtsgetrieben werden sollte.
Juwain war gestorben, und hier in diesem Hause hatte ein Mensch gelebt, den die Stimme seines
Freundes durch die Jahre verfolgte, und der sich hier vor dem Vorwurf einer betrogenen Rasse
verkroch.
Ein kratzendes Geräusch kam von der Tür her. Überrascht richtete sich Grant auf. Das Geräusch
wiederholte sich, begleitet von einem leisen Winseln.
Schnell stopfte Grant seine Papiere wieder in die Mappe und ging zur Tür. Als er öffnete,
schlüpfte Nathaniel wie ein Schatten ins Zimmer.
»Oscar weiß nicht, daß ich hier bin«, sagte er. »Ich könnte was erleben, wenn er es wüßte.«
»Wer ist Oscar?«
»Oscar ist der Roboter, der auf uns aufpaßt.«
Grant grinste. »Was willst du denn, Nathaniel?«
»Ich möchte mit Ihnen reden. Sie haben mit allen anderen gesprochen. Mit Bruce und Großvater,
aber mit mir haben Sie nicht geredet, und ich habe Sie ja schließlich entdeckt.«
»Gut«, lud ihn Grant ein, »dann schieß los.«
»Sie haben Sorgen«, stellte Nathaniel fest.
Grant runzelte die Stirn. »Das mag schon stimmen. Die Menschen haben immer Sorgen. Das könntest
du schon wissen, Nathaniel.«
»Sie denken an Juwain, genau wie Großvater.«
»Ja, ich mache mir Gedanken und Hoffnungen.«
»Was ist eigentlich los mit Juwain?« wollte Nathaniel wissen. »Wer ist er und -«
»Niemand«, erklärte Grant. »Daß heißt, er war einmal eine große Persönlichkeit, aber er starb vor
vielen Jahren. Nur die Idee ist geblieben. Ein Problem, eine Herausforderung, etwas zum
Nachdenken.«
»Ich kann auch denken«, erklärte Nathaniel triumphierend. »Ich denke manchmal sehr viel nach.
Aber ich soll nicht denken wie die Menschen, hat mir Bruce gesagt. Ich soll denken, wie wir Hunde
es tun und soll mich nicht um menschliche Gedanken kümmern. Er sagt, die Gedanken der Hunde sind
ebenso gut wie die der Menschen. Vielleicht sogar besser.«
Grant nickte ernsthaft. »Da mag schon was dran sein, Nathaniel. Du mußt anders denken als der
Mensch. Du mußt -«
»Es gibt eine Menge Dinge, die den Hunden bekannt sind und von denen die Menschen nichts wissen«,
prahlte Nathaniel. »Wir sehen und hören Dinge, die der Mensch weder sehen noch hören kann.
Manchmal heulen wir nachts, dann verfluchen uns die Menschen. Aber wenn sie sehen und hören
könnten wie wir, dann wären sie zu Tode erschrocken. Bruce sagt, wir seien - wir...«
»Psychopathisch?« fragte Grant.
»Ja, das ist es«, erklärte Nathaniel. »Ich kann mir nicht alle Wörter merken.«
Grant nahm seinen Schlafanzug vom Tisch.
»Willst du die Nacht bei mir bleiben, Nathaniel? Du kannst dich am Fußende einrollen.«
Nathaniel starrte ihn mit großen, runden Augen an. »Ist das Ihr Ernst? Wollen Sie mich wirklich
hier haben?«
»Aber gewiß. Wenn Mensch und Hund Partner werden sollen, dann können wir ebensogut gleich hier
anfangen.«
»Ich werde das Bett auch nicht schmutzig machen«, versicherte Nathaniel. »Oscar hat mich heute
gebadet.«
Er wackelte mit den Ohren.
»Aber er hat vielleicht ein oder zwei Flöhe übersehen«, fügte er etwas kleinlaut hinzu.
Grant betrachtete hilflos seine Atompistole. Sie war ein sehr praktischer Gegenstand und
unglaublich vielseitig in ihren Verwendungsmöglichkeiten, die vom Feuerzeug bis zur tödlichen
Waffe reichten. Die Handhabung war einfach,
Weitere Kostenlose Bücher