City - V3
der Metallverarbeitung
verraten. Viele weitere zivilisatorische und kulturelle Errungenschaften mochten ihnen dadurch
jetzt zugänglich sein.
Hunger war vielleicht eines der Hindernisse auf dem Wege zur Weiterentwicklung gewesen, das jetzt
beseitigt war. Die Versorgung mit ausreichenden Nahrungsmitteln hatte ihnen Zeit gelassen, sich
mit anderen Dingen zu befassen.
Hier war eine neue Rasse im Begriffe, sich zu entfalten, eine Rasse, die auf der sozialen Basis
längstvergangener Zeiten weiterbaute, als der Mensch noch nichts von seiner kommenden Größe
ahnte.
Wie würde sich die Ameise in einer weiteren Million Jahre entwickelt haben? Würden Mensch und
Ameise einen gemeinsamen Nenner finden, wie ihn Mensch und Hund jetzt finden würden, um in enger
Verbundenheit an ihrem gemeinsamen Schicksal zu arbeiten?
Grant schüttelte den Kopf. Das war unwahrscheinlich.
Mensch und Hund waren Wesen von gleichem Blut, während die Ameise ein völlig andersartiges Wesen,
nicht dazu geschaffen schien, den Menschen zu verstehen. Hier fehlte die gemeinsame Grundlage,
die Mensch und Hund bereits in der Zeit verband, als sie noch zusammen am Lagerfeuer saßen und
Wache hielten, um sich vor den Gefahren der Nacht zu schützen.
Mehr gefühlsmäßig als mit dem Gehör vernahm Grant das leise Rascheln von Schritten im Grase. Er
fuhr herum und sah einen Mann vor sich stehen. Einen schlaksigen Menschen mit hängenden Schultern
und riesigen Händen, aber mit weichen, empfindsamen Fingern.
»Sie sind Joe?« fragte Grant.
Der Mann nickte. »Und Sie sind der Mann, der hinter mir her ist.«
Grant staunte. »Vielleicht haben Sie recht. Vielleicht suchte ich nicht gerade Sie persönlich,
aber doch einen Menschen wie Sie.«
»Also jemanden, der anders geartet ist als die übrigen Menschen«, sagte Joe.
»Warum sind Sie mir davongelaufen? Warum haben Sie nicht gewartet, bis ich Ihnen danken konnte,
als Sie meine Pistole in Ordnung brachten?«
Joe blickte ihn nur schweigend an, aber hinter den schweigenden Lippen bemerkte Grant eine stille
Heiterkeit; er sah, wie Joe sich ungeheuer amüsierte.
»Woher in aller Welt wußten Sie denn, daß meine Pistole nicht funktionierte?« fragte Grant.
»Hatten Sie mich beobachtet?«
»Ich hörte Ihre Gedanken.«
»Sie haben meine Gedanken gehört?«
»Ja«, sagte Joe. »Ich kann Ihre Gedanken auch jetzt hören.«
Grant lachte etwas beunruhigt. Es war unglaublich, aber logisch. Er hätte es wissen müssen - dies
und noch vieles andere.
Er zeigte auf den Hügel. »Sind das Ihre Ameisen?«
Joe nickte, und ein amüsiertes Lächeln zog erneut über sein Gesicht.
»Warum lachen Sie?« fragte Grant.
»Ich lache nicht«, antwortete Joe, und Grant fühlte sich irgendwie zurechtgewiesen, wie ein Kind,
das bestraft wurde, weil es wider besseres Wissen ein Unrecht begangen hatte.
»Es würden sich viele Parallelen zu Websters Arbeit ergeben.«
Joe schüttelte den Kopf. »Ich habe keine Aufzeichnungen«, antwortete er.
»Keine Aufzeichnungen?«
Der schlaksige Mann näherte sich dem Ameisenhügel und betrachtete ihn gedankenvoll. »Vielleicht
haben Sie erraten, warum ich das getan habe.«
Grant nickte ernsthaft. »Ich habe darüber nachgedacht. Wahrscheinlich ein Experiment zur
Befriedigung Ihrer Neugierde. Vielleicht auch Mitleid mit den Wesen einer niedrigeren Lebensform.
Oder das Gefühl, daß der Mensch nicht das alleinige Anrecht auf Fortschritt besitzt, nur weil er
in der Entwicklung weiter voran ist.«
Joes Augen glitzerten in der Sonne. »Neugierde - vielleicht. Daran habe ich nicht gedacht.«
Er ließ sich neben dem Hügel nieder. »Haben Sie jemals darüber nachgedacht, warum sich die Ameise
bis zu einem bestimmten Punkt entwickelt hat und dann plötzlich stehenblieb? Warum sie eine fast
vollkommene soziale Organisation schuf und es dann dabei bewenden ließ? Was hat ihre
Weiterentwicklung aufgehalten?«
»Hunger, vor allen Dingen«, bemerkte Grant.
»Hunger und der Winterschlaf«, erklärte Joe. »Jeder Winterschlaf hat die Erinnerung an den
vorhergehenden Sommer ausgelöscht. In jedem Frühling mußte die Ameise wieder ganz von vorne
beginnen. Sie war nie in der Lage, aus begangenen Fehlern zu lernen, konnte ihre Erfahrungen nie
ausnutzen.«
»Und da haben Sie gefüttert -«
»Und den Hügel geheizt. Jetzt konnten sie auf den Winterschlaf verzichten und brauchten nicht
jedes Jahr von vorne anfangen.«
»Und die Karren?«
»Ich habe einige angefertigt und hiergelassen. Es dauerte zehn
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