City Vampire: Gefährliches Spiel in Paris (German Edition)
Abend für Abend war er weggefahren, wie er es im Übrigen tatsächlich immer tat, hatte aber wenige Straßen entfernt sein Auto geparkt und war in Windeseile zu Fuß zurückgekehrt. Elaine hatte ja keine Vorstellung davon, wie schnell in Windeseile für Laurent Fournier bedeutete. Und dann hatte er bloß gewartet. Gewartet und beobachtet. Genau wie Elaine. Bis sie schließlich getan hatte, wozu sie hergekommen war: Sie war bei ihm eingebrochen. Laurent war sich bewusst, dass seine Sicherheitsvorkehrungen nicht dem allerneuesten Stand der Technik entsprachen, aber bislang hatte es immer genügt. Und normalerweise hätte er auch bereits im Vorhinein dafür gesorgt, dass die Sache gar nicht erst richtig beginnen würde. Er hätte ihr bloß einen kurzen Besuch in ihrem gemütlichen Unterschlupf unter dem Blätterdach abstatten und Hallo sagen müssen, während sie auf ihrem Beobachtungsposten saß, und sie wäre geflohen und nie zurückgekehrt. Er wusste selbst nicht, warum er das nicht getan hatte. Vielleicht war es einfach Langeweile gewesen und die Aussicht auf eine interessante Begebenheit. Die Langeweile quälte ihn oft – das war ein Nachteil, wenn man unsterblich war. Wenn man alles besaß oder sich alles nehmen konnte, was man begehrt. Es war ermüdend. Seine Gedanken schweiften zurück zu Elaine. Vielleicht hatte es auch an ihr gelegen, dass er sie in sein Haus hatte einbrechen lassen. Und nicht an der Langeweile. Vielleicht hatte er genau diese Situation provozieren wollen, die dann auch eingetreten war. Laurent atmete tief durch. Das Mädchen war wirklich sehr anziehend. Sie war ihm sogar gefährlich geworden, als sie so nah bei ihm gewesen war. Oder besser gesagt, sie war seiner Selbstbeherrschung gefährlich geworden. Er hatte ihren Herzschlag gespürt. Jeden aufgeregten Pulsschlag in ihren Adern. Ihr Blut hatte in seinen Ohren gerauscht. Und ihr Duft… Laurent hatte schon seit Ewigkeiten niemanden mehr getötet. Aber sie – sie war etwas ganz Besonderes. Um ein Haar hätte er der Versuchung nicht widerstehen können, ihr Blut zu kosten. Und er war sich sicher, dann hätte er nicht mehr aufhören können.
Kapitel 10
Elaine wählte die Nummer, die Jerome ihr gegeben hatte. Nach zweimaligem Klingeln wurde abgehoben.
„ Ich habe es“, sagte sie ohne Einleitung. Er wusste, wer ihn anrief, da war sie sich sicher.
„ Gut“, antwortete Jerome. „Kommen Sie zu derselben Adresse wie letztes Mal. Fahren Sie sofort los. Und…“, er machte eine bedeutungsvolle Pause, „vergessen Sie nicht: Es gelten noch immer dieselben Regeln. Sie kommen allein. Sie sagen kein Wort, zu niemandem. Haben Sie mich verstanden?“
Elaine schluckte. Diese Regel hatte sie bereits gebrochen. „Natürlich“, log sie knapp und legte auf.
Das Bild lag auf ihrem Beifahrersitz. Sie warf einen verstohlenen Blick hinüber, still und geheimnisvoll ruhte die Rolle auf dem Sitzpolster.
Welches Geheimnis birgst du? , fragte sie im Stillen. Sie konnte selbst nicht erklären, warum es sie so sehr reizte zu erfahren, was das Bild so wertvoll machte. Sie sollte einfach ihre Aufgabe erledigen – und es dabei bewenden lassen. Aber irgendetwas fachte ihre Neugier auf das Äußerste an. Und Laurent Fournier… Sie hatte sich auf ein gefährliches Spiel eingelassen. Der Mann war faszinierend, ja. Und unglaublich anziehend. Sie war sich aber nicht sicher, ob sie ihm vertrauen konnte.
Elaine atmete tief durch und konzentrierte sich wieder auf die Straße. Der Weg sah anders aus, nun, im völligen Dunkel der Nacht. Es war zwei Uhr morgens und es kam ihr so vor, als schliefe die ganze Stadt. Als sei sie die einzige, die noch auf den Beinen war. Vielleicht hätte sie bis morgen warten sollen mit ihrem Anruf. Die Sache war schon unheimlich genug. Aber sie wollte das Gemälde so schnell wie möglich loswerden und sie wollte Mathis sprechen. Fünf Tage war es her, seit sie mit ihm geredet hatte. Ging es ihm gut? Bekam er zu essen? Der Gedanke an ihren kleinen Bruder, der in irgendeinem dunklen Verlies festgehalten wurde, trieb ihr die Tränen in die Augen.
Nicht schon wieder, dachte Elaine, das war schon genug Geheule für eine Nacht. Ich muss stark bleiben. Stark für Mathis. Sie bezwang ihre Gefühle und bog in das verlassene Industriegebiet ab. Sie war am Ziel. Diesmal hatte sie ihre Taschenlampe dabei. Sie griff nach ihr und nach der Rolle mit dem Gemälde, dann stieg sie aus. Als sie durch die als Ersatz für die Eingangstür
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