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Clancy, Tom

Clancy, Tom

Titel: Clancy, Tom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dead or Alive
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euch.
Hundert würden es zwar wohl nicht werden, aber man konnte eben nicht alles
haben.
    Wie einige
andere Gäste des Cafés stand nun auch Dirar auf und holte sich aus einem Regal
an der Rückwand eine zusammengerollte sajada. Wie
vorgeschrieben, war der Gebetsteppich sauber und ohne Krümel. Er kehrte an
seinen Tisch zurück, entrollte den Teppich auf dem ziegelgepflasterten Patio in
der Kibla, der Richtung nach Mekka, stellte sich aufrecht hin, die Hände an den
Seiten, und begann den salaat mit einer
geflüsterten ika-ma, seinem
eigenen Aufruf zum Gebet. Sofort spürte er, wie eine Welle des Friedens seinen
Geist durchlief, und er fuhr mit den übrigen sieben Teilen des Gebets fort, bis
er mit dem salawat endete:
    O Allah, segne unseren Muhammad und das Volk Muhammads Wie du gesegnet
hast Abraham und das Volk Abrahams Du bist gewiss der Ruhmvolle, der
Glorreiche. O Allah, sei gnädig zu Muhammad und dem Volk Muhammads Wie du
gnädig warst zu Abraham und dem Volk Abrahams Du bist gewiss der Ruhmvolle, der
Glorreiche ...
     
    Dirar
endete mit einem Blick zurück über beide Schultern - damit dankte er den
Engeln, die gute wie schlechte Taten jedes Gläubigen aufzeichneten -, legte
dann die Hände auf die Brust und wischte sich mit den Handflächen über das
Gesicht.
    Er öffnete
die Augen und atmete tief durch. In Seiner Weisheit hatte Allah den Gläubigen
das Salaat mindestens fünfmal täglich vorgeschrieben - vor Tagesanbruch,
mittags, nachmittags, bei Sonnenuntergang und am Abend. Wie für die meisten
Muslime waren die häufigen Rituale für Dirar nicht nur ein Lobpreis der Macht
und Gnade Allahs, sondern ebenso sehr Selbstbesinnung. Anderen gegenüber
erwähnte er das nie, weil es womöglich blasphemisch klang, aber in seinem
Herzen glaubte er nicht, dass Allah ihn dafür verdammte.
    Er sah auf
die Uhr. Es war Zeit.
    Die Frage
war nun, ob er zum letzten Gebet des Tages noch am Leben sein würde. Das lag
jetzt in Allahs Händen.
     
    Obwohl
Driscoll diesen Ausflug in den Hindukusch nicht als Bergsteigen begriff, kam er
dem doch nahe genug, um ihn an den alten Spruch der Bezwinger des Mount
Everest zu erinnern: Auf dem Gipfel hast du erst den halben Berg geschafft.
Übersetzung: Oft war der Abstieg der wirklich schwierige Teil. Und das galt besonders
für ihn und sein Team: Bergsteiger folgen beim Auf- und Abstieg gewöhnlich
derselben Route. Er und seine Ranger konnten das nicht; das Risiko eines Hinterhalts
war zu groß. Noch komplizierter wurde der Abstieg wegen der beiden Gefangenen,
die sie mitschleppten. Beide zeigten sich bis jetzt kooperativ, aber das
konnte sich schnell ändern.
    Driscoll
kam an eine flache Stelle auf dem Pfad zwischen zwei Felsblöcken, hielt an und
hob die Faust. Hinter ihm blieben seine Leute praktisch wie ein Mann stehen
und hockten sich hin. Sie waren etwa 150 Meter über dem Talboden. Noch vierzig
Minuten, schätzte Driscoll, dann noch zwei Kilometer das Tal entlang, dann zur
LZ, der Landezone. Er sah auf die Uhr: Sie lagen gut in der Zeit.
    Tait schob
sich neben ihn und bot Driscoll einen Streifen Dörrfleisch an. »Die Gefangenen
werden ein bisschen langsam.«
    »Das Leben
ist hart.«
    »Und dann
stirbt man«, erwiderte Tait.
    Der Umgang
mit Gefangenen war immer schwierig, besonders in solchem Gelände. Wenn einer
sich den Knöchel brach oder einfach entschied, dass er gern sitzen bleiben
wollte und sich weigerte aufzustehen, hatte man drei Möglichkeiten:
zurücklassen, tragen oder erschießen. Der Trick war, die Gefangenen in dem
Glauben zu lassen, dass es nur eine Option gebe, und zwar die letzte. Stimmt
wahrscheinlich auch, dachte Driscoll. Auf keinen Fall würde er zwei Gomer
wieder frei herumlaufen lassen.
    Driscoll
sagte: »In fünf Minuten geht's weiter. Sag den andern Bescheid.«
     
    Das mit Felsbrocken übersäte Gelände
wurde allmählich eben und von einem Geröllhang mit fassgroßen Steinen darauf
abgelöst. Hundert Meter über der Talsenke ließ Driscoll wieder anhalten und
überprüfte den Weg voraus mit dem Nachtsichtgerät. Er folgte den Serpentinen
des Pfads bis ins Tal und sah sich jedes mögliche Versteck genau an, bis er
sich sicher war, dass sich nichts bewegte. Das Tal war 200 Meter breit und von
steilen Felswänden gesäumt. Perfekt für
einen Hinterhalt, dachte Driscoll, aber andererseits war das in der
Geografie des Hindukusch eher die Regel als die Ausnahme. Diese Lektion hatten
in den letzten Jahrtausenden bereits Alexander der Große, die Sowjets

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