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Clancy, Tom

Clancy, Tom

Titel: Clancy, Tom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dead or Alive
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seiner
Kontrolle. So wenig er sich wohl damit abfinden konnte, versuchte er doch,
seine Würde auf recht eindrucksvolle Weise zu bewahren. Okay, er war mutig,
aber auch der Mut eines Menschen hatte seine Grenzen. Die Leute in diesem Raum
würden jetzt erkunden, wo bei ihm diese Grenzen lagen.
    Dr.
Pasternak rollte die Hemdsärmel des Emirs hoch und knöpfte sein Hemd auf. Dann
holte er sich von seinem Rollwagen eine Plastikspritze und eine Ampulle. Er
schaute auf die Uhr.
    »Ich werde
ihm jetzt sieben Milligramm Succinylcholin verabreichen«, sagte Pasternak und
zog auf die Spritze äußerst sorgfältig genau diese Menge auf. »Könnte das
bitte jemand aufschreiben.« Auf die Karte, die der Doktor ihm zuvor gegeben
hatte, schrieb Chavez jetzt: 7 mg, 8.58 Uhr.
    »Okay
...«, sagte Pasternak. Er stach die Spritze in die Armvene in der Ellbogenbeuge
und drückte den Kolben langsam nach unten.
     
    Saif Rahman Yasin fühlte keinen echten Schmerz, nur den kurzen
Hauteinstich in seine Ellbogenbeuge, bis die Spritze wieder herausgezogen
wurde. Er fragte sich, ob sie ihn vergiften wollten. Erst einmal schien nichts
zu geschehen. Er schaute den Mann an, der ihm gerade die Spritze gegeben hatte
und der jetzt auf etwas zu warten schien. Das beunruhigte ihn ein wenig, aber
es war zu spät für jede Form von Angst. Er befahl sich selbst, nicht schwach zu
werden, auf Allah zu vertrauen und standhaft im Glauben zu bleiben, denn Allah konnte
das Werk seiner Feinde zunichtemachen, und er, der Emir, würde im Glauben nicht
wanken. Er wiederholte in seinem Geist das Glaubensbekenntnis, das er als kleiner
Junge vor mehr als vierzig Jahren von seinem eigenen Vater im Haus ihrer
Familie in Riad gelernt hatte. Es gibt keinen
Gott außer Gott, und Mohammed ist sein Prophet. Allahu
akbar. Gott ist groß, sagte er
sich immer wieder vor und versuchte, dieses Glaubensbekenntnis in der Stille
seines eigenen Geistes so laut wie möglich zu denken.
     
    Pasternak betrachtete ihn und wartete. Tat er das Richtige?,
fragte er sich wieder einmal. Natürlich war es jetzt zu spät, sich darüber
Gedanken zu machen, trotzdem ging ihm diese Frage ständig durch den Kopf. Der
Mann schaute ihm jetzt direkt in die Augen, und der Arzt befahl sich selber,
diesem Blick jetzt auf keinen Fall auszuweichen. Er war jetzt Herr der Lage und hatte
alles unter Kontrolle. Er kontrollierte das Schicksal des Mannes, der seinen
nächsten Verwandten, seinen geliebten Bruder Mike, getötet hatte, des Mannes,
der den Flugzeugentführern befohlen hatte, in das World Trade Center zu rasen.
Dies hatte den Brand ausgelöst, der die Stahlstruktur des Gebäudes so sehr
schwächte, dass das gesamte Büro von Cantor Fitzgerald 300 Meter tief auf die
Straßen von Lower Manhattan stürzte und dabei mehr als 3 000 Menschen
zerquetschte, mehr, als beim Angriff der Japaner auf Pearl Harbor umgekommen
waren. Dies war das Gesicht eines verdammten Mörders. Nein, er würde jetzt
keine Schwäche zeigen, nicht vor diesem verfluchten Barbaren ...
     
    Dieser Mann wartet auf etwas, dachte der Emir - aber
worauf? Er spürte keine Schmerzen, nicht das geringste Unwohlsein. Was war in
der Spritze gewesen und lief jetzt durch sein Adern? Wenn es ein Gift war, nun,
dann würde er bald vor Allahs Antlitz stehen und könnte Ihm berichten, dass er
Seinen Willen erfüllt hatte, wie alle Menschen, ob sie es nun wussten oder
nicht, denn alles, was auf dieser Welt geschah, geschah nach Allahs Gebot.
Alles, was sich jemals im Himmel und auf Erden ereignet hatte und noch
ereignen würde, hatte Gott mit eigener Hand geschrieben. Er jedoch hatte sich
mit seinem freien Willen entschieden, Allahs Willen zu gehorchen.
    Aber
nichts geschah. Er wusste nicht und hätte es auch nicht sagen können, dass sein
Geist mit Lichtgeschwindigkeit raste und alles, selbst das Blut in seinen
Adern überholte, das den Stoff, den dieser Arzt ihm injiziert hatte, in seinem
Körper verteilte. Er wünschte sich, es wäre Gift, denn dann würde er vor Allahs
Angesicht treten. Dann könnte er über sein Leben berichten und darüber, wie er
Allahs Befehle nach bestem Wissen und Gewissen ausgeführt hatte ... Das hatte
er doch, oder nicht?, fragte sich der Emir plötzlich, als ihm letzte Zweifel
kamen. Es war nun endgültig Zeit für die letzte Wahrheit. Er hatte doch die
Gebote des Allerhöchsten befolgt, nicht wahr? Hatte er nicht sein ganzes Leben
den heiligen Koran studiert? Hatte er das heilige Buch nicht sogar auswendig
gelernt?

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