Clancy, Tom
darauf,
weil er den Mann nicht stören wollte, der diese seltsame Operation vornahm.
Er konnte seinen ganzen Körper spüren. Alles erschien Saif in
kristallener Klarheit. Er konnte kein Glied bewegen, aber er konnte alles
spüren. Er konnte fühlen, wie das Blut durch die Adern strömte. Aber er konnte
die Finger nicht bewegen. Was war das nur? Sie hatten ihm seinen Körper
gestohlen. Er gehörte ihm nicht mehr. Er war ein Gefangener in einer Zelle, und
die Zelle war ... er selbst ...? Vergifteten sie ihn gerade? War dies das
Vorspiel seines Todes? Wenn ja, sollte er es dann nicht begrüßen? Würde er dann
nicht in wenigen Augenblicken vor Gottes Antlitz stehen? Wenn dem so war,
sollte sein Geist doch eigentlich lächeln. Obwohl sein Körper wie tot war -
seine Seele lebte noch, und Allah konnte seine Seele jetzt so klar und deutlich
sehen wie einen großen Stein auf dem Grund eines glasklaren Sees. Wenn dies der
Tod war, würde er ihn als den Höhepunkt seines Lebens begrüßen, als ein
Geschenk, das Allah schon so vielen Männern und Frauen gewährt hatte, nämlich
SEIN Antlitz zu sehen, wie er selbst es bald tun würde ... ja... Er fühlte,
wie die Luft in seine Lungen strömte und ihm die letzten Sekunden eines Lebens
schenkte, das ihm diese Ungläubigen gerade raubten. Aber Allah würde sie dafür
bitter büßen lassen. Da war er sich sicher. Vollkommen sicher.
Pasternak
schaute wieder auf die Uhr. In zwei Minuten würde der letzte Teil beginnen. Er
drehte sich um und schaute auf das Reanimationsgerät. Die grüne Kontrolllampe
brannte. Dasselbe galt für das Beatmungsgerät. Beide waren einsatzbereit. Er
konnte diesen Bastard also wieder ins Leben zurückholen. Er fragte sich, was
wohl Mike darüber denken würde, aber dieser Gedanke war viel zu abgelegen, als
dass er sich auf ihn jetzt hätte einlassen können. Was nach dem Tod geschah,
war den Lebenden nicht bekannt. Alle würden es eines Tages herausfinden, aber
niemand konnte danach zurückkehren und den Lebenden berichten. Das war das
große Geheimnis des Lebens, über das die Philosophen und die Religionsstifter
nachdachten, eine Frage des Glaubens, aber nicht des Wissens. Nun, der Emir
würde zumindest einen kurzen Einblick erhalten. Was würde er sehen? Was würde
er erfahren?
»Bald ist
es so weit«, verkündete Pasternak den Umstehenden.
Der Emir hörte es und verstand die Worte. Bald würde er vor
Gottes Antlitz treten. Bald kam er ins Paradies. Nun, er hatte nicht alles
erreicht, wovon er geträumt hatte. Er war nicht zum weltweiten Führer aller
Gläubigen geworden, aber er hatte danach gestrebt. Er hatte sein Bestes
gegeben, und sein Bestes war sehr, sehr gut gewesen. Aber wohl nicht gut genug.
Das war betrüblich, sehr betrüblich. Er hätte noch so viel tun können. Jetzt
würde das ein anderer tun müssen. Vielleicht Ahmed? Ein guter Mann, dieser
Ahmed, fromm und gelehrt, gutherzig und glaubensstark. Vielleicht wäre er
fähig genug ... Der Emir fühlte die Luft in und aus seiner Lunge strömen. Er
fühlte es ganz deutlich. Es war ein wunderbares Gefühl, das Gefühl des Lebens
selbst. Wieso hatte er dessen Schönheit und Wunder niemals zuvor so intensiv
empfunden? Dann geschah es.
Seine
Lunge hörte zu arbeiten auf. Sein Zwerchfell bewegte sich nicht mehr. Seine
Lunge bekam keine Luft mehr. Er hatte seit dem Augenblick seiner Geburt geatmet.
Es war das erste Lebenszeichen, wenn ein Neugeborenes der Welt durch sein
Schreien seine Existenz verkündete. Aber jetzt füllte sich seine Lunge nicht
mehr mit Luft. Aus seiner Lunge war jetzt alle Luft verschwunden ... Das war
wohl der Tod. Nun, er hatte dem Tod in den letzten dreißig Jahren ständig ins
Auge geblickt. Die Russen, die Amerikaner und diejenigen Afghanen, die seine
Sicht des Islam und der Welt nicht teilten, wollten ihn töten. Er hatte dem Tod
viele, viele Male ins Gesicht gesehen, so oft, dass er für ihn jeden Schrecken
verloren hatte. Ihn erwartete ja das Paradies. Er versuchte, die Augen zu
schließen, um sein Schicksal anzunehmen, aber seine Augen wollten sich nicht
schließen. Er sah immer noch die Deckenplatten über seinem Kopf, weiße
Rechtecke, die blicklos auf ihn herunterstarrten. Das war der Tod? Das war es
also, was alle Menschen fürchteten? Was für ein seltsamer Vorgang,
registrierte sein Geist, nicht mit Gleichmut, sondern mit Verwirrung darauf zu
warten, dass es endgültig dunkel wurde. Sein Herz schlug weiterhin unbeirrt. Er
konnte es spüren, wie es
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