Clancy, Tom
»begegnet«, in der sich auch ein
Starbucks-Café befand. Sie hatte einen Caffe Mocha geordert und dann
feststellen müssen, dass ihr zehn Cent fehlten. Steve hatte hinter ihr in der
Schlange gestanden und ihr schüchtern angeboten, den fehlenden Betrag für sie
zu bezahlen. Sie hatte alles über ihn in seinem Dossier gelesen - oder
jedenfalls so viel, wie ihr Auftraggeber an Informationen für nötig hielt - und
kannte daher seine Gewohnheiten. Es war ihr sehr leichtgefallen, diese erste
Begegnung zu arrangieren, und noch leichter, sie für ihre Zwecke auszubeuten.
Sie hatte sich für das Buch interessiert, in dem er gerade las, irgendwelches
Zeug über Maschinenbau, das ihr im Grunde völlig gleichgültig war. Ihm war das
natürlich nicht aufgefallen, so aufgeregt war er, dass ein hübsches Mädchen
mit ihm plauderte.
»Das ganze
Zeug mit dem Maschinenbau«, sagte sie. »Keine Ahnung, wie du das aushältst. Ich
habe versucht, eins der Bücher zu lesen, die du mir gegeben hast, aber das war
mir alles viel zu hoch.«
»Na, du
wärst clever genug dafür, das steht fest, aber es ist eben ziemlich trockener
Stoff. Vergiss nicht, dass ich das vier Jahre lang am College gebüffelt habe,
auch wenn ich dort eigentlich nichts Praktisches lernte. Das kam erst, als ich
dann endlich in einen Job einstieg. Am MIT hab ich eine Menge gelernt, aber das
war nichts im Vergleich zu dem, was ich seither gelernt habe.«
»Was
denn?«
»Ach, du
weißt schon, alles Mögliche.«
»Zum
Beispiel?«
Er gab
keine Antwort.
»Okay,
okay, ich hab's kapiert, Mister Top-Secret.«
»Nein,
darum geht es nicht, Ali«, antwortete er in leicht weinerlichem Tonfall. »Es
ist nur, dass ich alle möglichen Erklärungen unterschreiben musste — Vertraulichkeitsvereinbarungen
und so.«
»Wow. Dann musst du aber doch sehr wichtig sein!«
Er
schüttelte den Kopf. »Nö. Du weißt doch, wie die Regierung ist ... paranoid bis
zum Abwinken. Verdammt, eigentlich ist es doch erstaunlich, dass sie uns nicht
längst an den Lügendetektor gesetzt haben, aber das kommt vielleicht noch — wer
weiß?«
»Aber
worum geht es denn eigentlich? Waffen oder Bomben oder solches Zeug? Oder,
warte mal ... Bist du vielleicht Raketenwissenschaftler?«
Er
kicherte. »Nein, mit Raketen hab ich nichts am Hut. Maschinenbauingenieur - ein
ganz durchschnittlicher, stinknormaler Ingenieur.«
»Aber ein
Spion?« Sie stützte sich auf einen Ellbogen, sodass die Bettdecke herabrutschte
und eine cremeweiße Brust enthüllte. »Das bist du doch, oder nicht? Du bist
ein Spion!«
»Nein, ein
Spion bin ich auch nicht. Schau mich doch mal an — ich sehe doch aus wie ein
Fachidiot.«
»Die
perfekte Tarnung.«
»Großer
Gott, du hast vielleicht Fantasie, das muss ich dir lassen.«
»Und du
weichst der Frage aus. Das ist verräterisch ... ein altbekannter Trick, den
Spione anwenden.«
»Auch
nicht. Tut mir leid, dass ich dich enttäuschen muss.«
»Aber was
denn dann? Sag es mir ...«
»Ich
arbeite beim DOE - beim Energieministerium.«
»Also hast
du was mit Atomenergie und so zu tun?«
»Genau.«
Natürlich
wusste sie längst genau, womit er seinen Lebensunterhalt verdiente, wo er
arbeitete und welche Aufgaben er hatte. Was Allison von ihm erfahren wollte -
und was sie von ihr erfahren wollten —, war sehr viel spezifischer. Sie waren
sich sicher, dass er diese Informationen besaß, vielleicht schon im Kopf, und
falls nicht, hatte er ganz bestimmt Zugang zu geheimen Dokumenten. Allison
wunderte sich flüchtig, warum sie versuchten, durch sie, Allison, an die
Informationen zu kommen. Wäre es nicht viel einfacher, ihn auf der Straße zu
kidnappen und ihm sein Wissen mit brutaler Gewalt abzupressen? Die Antwort
hatte vermutlich ebenso viel mit seinem Arbeitsplatz zu tun wie mit der Tatsache,
dass Informationen, die durch Folter gewonnen wurden, notorisch unzuverlässig
waren. Wenn Steve verschwand oder unter auch nur andeutungsweise verdächtigen
Umständen irgendwo tot aufgefunden wurde, wären Ermittlungen nicht nur der
Polizei, sondern auch des FBI unvermeidlich. Allisons Auftraggeber würde diese
Art von Nachforschungen zweifellos vermeiden wollen. Aber auch die bloße
Tatsache, dass sie keinen direkteren Zugang zu ihm gesucht hatten, sagte ihr etwas:
Die von ihnen benötigten Informationen waren nicht nur überaus wichtig, sondern
auch ungewöhnlich. Möglicherweise war Steve für sie die einzige brauchbare
Informationsquelle, was wiederum bedeutete, dass andere
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