Clancy, Tom
abschalten würden.
Vielleicht ... wenn, dachte Clark. Es war schwer, in
den Kopf eines anderen zu schlüpfen, vor allem wenn es sich dabei um einen
Schurken handelte, der es für gerechtfertigt hielt, einen Haufen unschuldiger
Zivilisten als Geiseln zu nehmen. Vielleicht waren diese Bösewichte auch keine
strategischen Denker und hatten über das Wasser-und-Strom-Problem überhaupt
nicht nachgedacht. Aber immerhin waren sie gut genug gewesen, diese Särskilda
Skyddsgruppen auszuschalten, was darauf hindeutete, dass Rainbow hier auf gut
ausgebildete Leute treffen würde. Aber das machte wirklich keinen
Unterschied. Es gab keine Besseren als sein Rainbow-Team, davon war Clark
überzeugt. Wie immer es da drinnen aussah, sie würden damit fertigwerden, und
die Schurken würden höchstwahrscheinlich dran glauben müssen.
Die Fahrt
dauerte zwanzig Minuten. In dieser Zeit ging Clark verschiedene Szenarien
durch, während er durch die Hecköffnung die staubigen, ockerfarbenen Straßen
von Tripolis beobachtete. Schließlich machte der Lastwagen rumpelnd in einer
kleinen Gasse halt, deren beide Enden von Dattelpalmen beschattet wurden.
Leutnant Masudi klappte die Heckklappe herunter. Richards kletterte von der
Ladefläche und ging mit Clark und Stanley die Gasse hinunter, während Chavez
und die anderen das Gepäck aufnahmen und ihnen folgten. Richards führte sie zu
einer Treppe, die außen an der Steinwand des Gebäudes emporführte. Im zweiten
Stock betraten sie durch eine Tür eine halb fertige Wohnung. An der Wand
entlang lagen ganze Stapel von Gipskartonplatten. Daneben standen etliche
20-Liter-Behälter Trockenbau-Spachtelmasse. Von den vier Wänden waren zwei
fertig. Diesen hatte man einen meerschaumgrünen Anstrich verpasst, der gut in
eine Folge von Miami Vice hineingepasst
hätte. Der Raum roch nach frischer Farbe. Durch ein von Dattelpalmen eingefasstes
großes Aussichtsfenster konnte man in 200 Meter Entfernung ein Gebäude sehen,
das Clark für die schwedische Botschaft hielt. Es war eine zweistöckige Villa
im spanischen Stil, die von einer 2,40 m hohen weißen gekalkten Mauer umgeben
war, deren oberer Rand mit schwarzen Eisenspitzen und Glasscherben bewehrt
war. Das Erdgeschoss des Gebäudes wies zahlreiche Fenster auf, die jedoch alle
vergittert und verrammelt waren.
Mindestens 550 Quadratmeter, dachte Clark leicht säuerlich. Ein ziemlich großes Gelände. Und dazu vielleicht noch ein
Untergeschoss.
Er hatte
fast angenommen, dass ein oder zwei Obersten oder Generäle der Volksmiliz hier
auf sie warten würden, aber da hatte er sich getäuscht. Offensichtlich war
Masudi der einzige Kontakt zur libyschen Regierung, was Clark völlig
ausreichte, solange der Mann ihnen verschaffen konnte, was sie brauchten.
Man hätte
den Eindruck gewinnen können, dass unten auf der Straße gerade eine
Militärparade abgehalten würde. Auf den zwei Nachbarstraßen der Botschaft, die
Clark von hier oben einsehen konnte, zählte er nicht weniger als sechs
Armeefahrzeuge - zwei Jeeps und vier Lastwagen -, die alle von Soldaten umringt
waren, die rauchten und sich die Füße vertraten, während ihnen um die Schultern
lässig veraltete Repetiergewehre baumelten. Wenn er es nicht bereits gewusst
hätte, hätten Clark die Waffen dieser Soldaten alles verraten, was er über
Gaddafis Einstellung zu dieser Krise wissen musste. Nachdem ihm in seinem
eigenen Land die Initiative entzogen worden war, hatte der Oberst seine Elitetruppen
aus der Umgebung der Botschaft abgezogen und durch die schäbigsten Muschkoten
ersetzt, die er ins Feld schicken konnte.
Wie ein
beleidigter kleiner Junge, der seine Murmeln packt und nach Hause rennt.
Während
Chavez und die anderen ihr Gepäck in der unfertigen Frühstücksnische zu stapeln
begannen, musterten Clark und Stanley das Botschaftsgelände mit ihren
Feldstechern. Richards und Leutnant Masudi hielten sich etwas abseits. Nach
zweiminütigem Schweigen sagte Stanley, ohne den Feldstecher abzusetzen: »Das
wird schwierig.«
»Stimmt«,
bestätigte Clark. »Kannst du eine Bewegung sehen?«
»Nein. Das
sind Innenfensterläden. Gute und solide Ware.«
»An jeder
Ecke sind direkt unter der Traufe feste Überwachungskameras angebracht. Zwei
weitere hängen an der Frontfassade.«
»Auf der
Rückfassade wird das genauso sein, nehme ich an«, meinte Stanley. »Man müsste
wissen, ob die Sicherheitsleute noch die Zeit hatten, den Knopf zu drücken.«
Die
meisten Botschaften hatten eine
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