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Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Titel: Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Amy Schlitz
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erledigt gewesen.
    »Nun? Hast du die Sprache verloren?«
    »Ich habe mir die Kleider angesehen«, gestand Lizzie Rose. »Und ich mag schöne Dinge, aber ich konnte nicht … ich habe nicht …« Sie seufzte. »Meine eigenen Sachen sind am besten.«
    Cassandra schnaubte verächtlich. »Deine Sachen sind abscheulich. Es ist eine Schande – du bist kein hässliches Mädchen. Bring mir einen der Kerzenhalter vom Kaminsims. Ich will dich genauer ansehen.«
    Lizzie Rose legte ihre Bücher auf dem Frisiertisch ab und trat mit einem dreiarmigen Leuchter an Cassandras Bett. Das Gesicht des Messingaffen blitzte im flackernden Kerzenlicht auf. Der Affe schien genau wie Madama höhnisch zu grinsen.
    »Was für eine Nase!«, rief Cassandra aus. »Du hast eine Nase wie ein Fuchs und eben das wird dich später zu einer Schönheit machen. Ohne dein rotes Haar und die lange Nase wärst du lediglich hübsch … doch diese Nase wird dich zu etwas ganz Besonderem machen! Die große Schauspielerin Sarah Siddons hatte so eine Nase. Die Männer werden dich anstarren und deine Nase zu lang finden, aber sie werden nicht aufhören, zu starren. Beschäftigst du dich noch gar nicht mit solchen Sachen? Mit Gentlemen und feinen Kleidern und Verehrern?«
    Das Wort Verehrer erinnerte Lizzie Rose an Fitzmorris Pinchbeck. Sie kräuselte die Lippen. »Nein, gnädige Frau.«
    »Auch gut. Himmel, was für eine Zeitverschwendung! In meiner Jugend war ich ständig in irgendeinen Mann verliebt. Nicht, dass ich eine Schönheit gewesen wäre. Ein stattliches Mädchen haben sie mich genannt. Wie gehässig. Ich war zu dick und ertrug es nie, eng geschnürt zu werden. Aber ich wusste, die Blicke der Männer auf mich zu ziehen. In meinen besten Jahren hatte ich viele Verehrer. Ein Mann hat sich aus Liebe zu mir eine Kugel in den Kopf gejagt – allerdings war er zugegebenermaßen ein entsetzlicher Dummkopf. Du glaubst mir nicht, oder?«
    Lizzie Rose dachte einen Augenblick darüber nach. Ihre Gedanken wanderten zu der Vitrine mit den Haarlocken und mit einem Mal erschien die Sammlung weniger makaber als vielmehr mitleiderregend. Sie schaute die alte Frau an, versuchte den Hauch einer Ahnung von dem koketten Mädchen zu gewinnen, das einst nach der Aufmerksamkeit der Männer gierte. Es war schwer vorstellbar. Kein Wunder, dass Mrs Sagredo ihre Erinnerungsstücke brauchte. Sie waren Beweis für eine unwirkliche Vergangenheit.
    »Ich glaube Ihnen, gnädige Frau. Ich habe die Vitrine unten gesehen. Die mit den kleinen Porträts Ihrer Verehrer.«
    »Ach die«, sagte Cassandra gereizt. »Das war … nun ja. Das ist alles so lange her.«
    Stille trat ein. Lizzie Rose stellte den Kerzenhalter zurück auf den Kaminsims. Cassandra lehnte sich in die Kissen zurück. Ruby seufzte tief und streckte sich lang aus.
    Schließlich brach Cassandra das Schweigen. »Wenn du keine Kleider willst und keine Männer, was willst du dann? Sag es mir. Ohne lang nachzudenken – sag mir, was dir spontan in den Sinn kommt. Ich will es wissen.«
    Ein Schwarm Bilder schoss Lizzie Rose durch den Kopf. Sie überlegte, ob sie es wagen sollte, das Thema Erbschaft anzuschneiden. Selbst ein Bruchteil von Madamas Vermögen würde für sie alles verändern! Sie malte sich aus, wie sie und Parsefall ein ganz neues Leben beginnen würden, und in einem Wimpernschlag hatte sie schon ihr gemeinsames Zuhause entworfen: ein kleines rustikales Häuschen am See samt rankendem Geißblatt an den Mauern und tiefen, gemütlichen Sesseln mit Bezügen aus geblümtem Chintz. Sie sah Parsefall am Schreibtisch sitzen und sie half ihm bei den Schularbeiten. Da die Szene ja in ihrem Kopf entstand, entzog sich Parsefall nicht, als sie ihm den Arm um die Schultern legte. Und er sagte nicht, dass sie ja gar nicht seine echte Schwester sei. Sich selbst sah Lizzie Rose in einem cremefarbenen Seidenkleid am Kamin sitzen und Märchen lesen oder auf dem gefrorenen See Schlittschuh laufen, wobei sie ihre Hände in einem hübschen kleinen Muff warm hielt. Sie malte sich aus, wie sie Ruby jeden Abend mit einem Hammelkotelett fütterte und dass es überhaupt stets genügend Fleisch für sie alle drei gab.
    Lizzie Rose rief sich wieder zur Ordnung: Das waren selbstsüchtige Wünsche. Als die jüngste Tochter im Märchen sollte sie etwas anderes als Hammelkoteletts und Seidenkleider im Kopf haben. Die jüngste Tochter würde nur an die Menschen denken, die sie liebte. Pflichtbewusst dachte Lizzie Rose an ihre eigenen Lieben

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