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Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Titel: Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Amy Schlitz
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der gläsernen Kugel drang der Hauch eines Zwitscherns: ein zarter, gespenstischer Ton.
    »Sind das Aufziehvögel?«, fragte der Junge.
    Cassandras Konzentration geriet ins Wanken. Einer der Vögel brach abrupt mitten in der Bewegung ab; sein Schnabel stand noch offen. Der andere ließ die Flügel hängen.
    »Nein, das sind keine Aufziehvögel. Der Stein bewirkt das.« Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Und was hältst du davon, Master Parsefall?«
    Parsefall zog eine Schulter hoch. »Nich’ schlecht. Aber ich kenn ’nen alten Chinesen, der Vögel besser hinbekommt. Mit Schattenpuppen.«
    »Das ist Puppentheater«, sagte Cassandra verächtlich. »Dies hier ist Zauberkunst!«
    Parsefall blieb skeptisch. Er beugte sich vor, um das Glasgefäß zu untersuchen, und tastete es nach verborgenen Drähten oder Fäden ab. Cassandra blickte auf die Stelle, wo sein kleiner Finger fehlte, und ihr kam eine neue Idee. »Fragst du dich nie, was dir da passiert ist?«, fragte sie sanft. »Würdest du nicht gern wissen, wie du deinen kleinen Finger verloren hast?«
    Die Pupillen des Jungen weiteten sich. Er verbarg seine verstümmelte Hand hinter dem Rücken.
    Cassandra öffnete das Medaillon und nahm den Feueropal heraus. Sie bewegte den Stein zwischen ihrem Daumen und Zeigefinger hin und her. »Möchtest du ihn gern einmal anfassen? Du darfst ihn nicht nehmen, denn das wäre stehlen, aber du darfst ihn berühren, wenn du willst.«
    Parsefall rückte ein Stückchen näher. Vorsichtig, als fürchtete er, sich zu verbrennen, legte er einen Finger auf den karmesinroten Stein. Cassandra hatte ihn zwar aufgefordert, den Opal zu berühren, doch nun empfand sie es als unangenehm. Es war, als würde der Junge sie auf den Mund küssen. Sie atmete flach und zwang sich, reglos zu verharren. Plötzlich zuckte Parsefall zurück, als hätte er einen Stromschlag bekommen. Schwer atmend riss er seine Hand los. Dann machte er zwei Schritte rückwärts, den Blick nach innen gewandt. Anscheinend versuchte er krampfhaft, sich an etwas zu erinnern.
    »Was, wenn das wie der Flaschengeist is’?«
    »Welcher Flaschengeist?«, fragte Cassandra. »Wovon redest du da?«
    »Das war ein Stück, das wo wir mit Grisini gespielt haben«, erklärte Parsefall. »Da war dieser Mann und der hatte ’ne Flasche mit ’nem Geist drin und der war wie der Teufel. Und er konnte Wünsche erfüllen, aber die Wünsche haben nie richtig funktioniert. Und wenn der, wo die Flasche nimmt, sie nich’ rechtzeitig wieder los wird, verbrennt er in der Hölle.«
    »Und wie geht es aus? Ist der Mann in der Hölle verbrannt?«
    »Doch nich’ die Hauptfigur!«, entgegnete Parsefall, als hätte sie eine furchtbar dumme Frage gestellt. »Der kann nich’ zur Hölle fahren, weil er doch der Held ist, klar? Er hat jemanden mit ’nem Trick dazu gebracht, dass der die Flasche nimmt – den bösen Spanier mit dem Schnurrbart. Also is’ der in die Hölle gekommen. Der Flaschengeist hat ihn mitgeschleift und da unten waren überall Flammen.«
    Cassandra bekam eine Gänsehaut. »Aber das war nur eine Geschichte«, sagte sie leichthin, bemüht, verlorenen Boden zurückzugewinnen. »Mein Feueropal ist echt. Dämonen und Flaschengeister … so etwas gibt es nur in Märchen. Du lässt dir doch von einer Geschichte keine Angst einjagen?«
    Parsefall schulterte seinen Kopfkissenbezug und trat zurück. »Woher wissen se, ob wir nich’ in ’ner Geschichte sind?«, fragte er und war durch die Tür verschwunden, bevor sie noch Gelegenheit hatte, sich eine Antwort zu überlegen.

36. Kapitel

     
    Die Miniatur
     
    L izzie Rose stand vor Madamas Zimmer und nahm all ihren Mut zusammen, um einzutreten. Es war Heiligabend nach der Teestunde, und sie war gerufen worden, um Madama die Weihnachtsgeschenke zu zeigen, die sie sich ausgesucht hatte. Lizzie Rose hatte beschlossen, sich wie die jüngste Tochter in den Märchen zu benehmen, die sie so sehr liebte. Die jüngste Tochter wählte stets die bescheidensten Geschenke: eine Rose statt des Diamanten, einen Segen statt eines Vermögens. Und am Ende schien sich immer alles zum Besten für sie zu fügen. Trotzdem graute Lizzie Rose vor der Befragung, die jetzt kommen würde. »Sie kann mich nicht fressen«, murmelte sie, aber ihre Tapferkeit war nur aufgesetzt. Cassandra Sagredo mochte vielleicht keine kannibalischen Neigungen haben, doch sie war in der Lage, Lizzie Rose zu demütigen und zum Weinen zu bringen. Und das war schlimm genug.
    Lizzie Rose

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