Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Titel: Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Amy Schlitz
Vom Netzwerk:
»Natürlich war Ihre Mutter entsetzt, weil Sie über den Tod gelacht haben. Ist es nicht so? È vero! Aber ich behaupte, Miss Wintermute, es ist gut, über den Tod zu lachen …«
    »Da-das habe ich nicht«, stammelte Clara. »Ich habe nicht …«
    »Doch, das haben Sie«, widersprach Grisini. Er legte seinen Zeigefinger auf die kleine Kerbe über Claras Lippen, damit sie schwieg. »Sie haben ein tapferes Herz, madamina. « Sein Finger glitt tiefer, berührte leicht die Spitzenborte an ihrem Halsausschnitt.
    Clara glaubte schon, er würde ihr die Hand aufs Herz legen, doch stattdessen griff er nach dem goldenen Medaillon, das sie um den Hals trug, und hielt es in der hohlen Hand.
    » Cosa c’è? Ist das neu, ja? Ein Geburtstagsgeschenk? Ich habe allerdings den Eindruck, es gefällt Ihnen nicht.« Er zog demonstrativ die Mundwinkel nach unten, als würde er sich mit einem Kleinkind unterhalten.
    »Es gefällt mir wohl«, beteuerte Clara.
    Grisini lächelte angesichts ihrer Unaufrichtigkeit und schnalzte mit der Zunge. »Ein sehr schöner Saphir«, stellte er mit anerkennendem Tonfall fest. »Siamesisch?«
    »Das weiß ich nicht«, antwortete Clara. Ihr Mund war trocken.
    »Die Filigranarbeit ist gut gemacht«, bemerkte Grisini. »Nicht so exquisit wie die eines venezianischen Juweliers, aber sehr schön.« Er bewegte das Medaillon, um das Licht einzufangen. »Das, was sich darin befindet, magst du nicht, richtig?« Er kam mit dem Kopf noch dichter an sie heran. »Öffne es und lass es mich sehen. Ich habe dir meine Geheimnisse gezeigt, jetzt musst du mir deine zeigen.«
    Clara verspürte Übelkeit. Grisini, der Puppenspieler. Grisini, der Ausländer, duzte sie, hatte die Spitzenborte ihres Kleids berührt und verlangte, in ihr Medaillon zu sehen. So etwas war undenkbar. Sie blickte auf seine ruhelosen, flinken Finger und Panik pulsierte durch ihren Körper bei der Vorstellung, er würde sie noch einmal berühren. Sie zog sich die goldene Kette über den Kopf und hielt sie Grisini hin.
    Er nahm sie mit einer eleganten Geste entgegen und öffnete das Medaillon. Vor einem Hintergrund aus Elfenbein war eine Trauerweide zu sehen, keine zweieinhalb Zentimeter groß. Sämtliche Äste und Zweige waren aus menschlichem Haar gefertigt. »Ah, das ist zur Trauer. Das Haar stammt von den verstorbenen Geschwistern, nehme ich an.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Dienstboten tratschen leider. Und eine so tragische Geschichte schreit danach, erzählt zu werden. Povera Clara!« Grisini hielt ihr das Medaillon hin, damit sie es wieder an sich nehmen konnte. »Du bist nicht auf dieser Welt, um zu weinen. Du sollst lachen – so wie heute Nachmittag – und tanzen. Du wirst tanzen.« Er lächelte. »Soll ich dir sagen, wie?«
    Seine Stimme klang sanft, aufmunternd. Gegen Claras Willen trafen sich ihre Blicke. Seine Augen fand sie schrecklich: Das Weiß war leicht gerötet, die Iris opak wie Granit. Es gelang ihr nicht, den Blick abzuwenden.
    »Du bist es leid, zu trauern, nicht wahr? Du willst lachen und tanzen … und da ist noch etwas, richtig? Nein, leugne es nicht. Ich kann dir bis tief ins Herz schauen. Du trägst ein Geheimnis mit dir herum, nicht wahr, mia piccina? Es verfolgt dich, gibt dir das Gefühl, ein furchtbar böses Mädchen zu sein?«
    Clara stierte ihn einen Moment lang stumm an. Dann befeuchtete sie ihre Lippen und flüsterte: »Ja.«
    »Das dachte ich mir.« Grisini nickte. »Jetzt hör mir gut zu«, fuhr er fort und senkte seine Stimme noch mehr. Sein Wispern war so gedämpft, dass Clara es kaum hörte. Sie begriff nichts von dem, was er sagte, und versuchte es auch gar nicht. Das Stück Heftpflaster unter seinem Kinn bewegte sich beim Sprechen und Clara überlegte, ob es wohl abfallen würde. Sein Atem roch nach Gin und darunter mischte sich der Geruch des Makassaröls in seinem Haar, das Flecken auf dem Kragen hinterlassen hatte. Trotzdem wich sie nicht zurück. Sie blieb wie angewurzelt stehen, anfangs zitternd, dann ganz still. Bald wurde sie so ruhig wie noch nie in ihrem Leben.
    Bau! Bau! Das war die goldene Uhr. Clara senkte den Blick und stellte fest, dass sie erneut in ihrer Hand lag. Mit einem Schlag wusste sie, dass sie gefahrlos wieder zu Sinnen kommen konnte. Grisini war verschwunden. Die Zeiger der Uhr standen auf halb sieben.

6. Kapitel

     
    Dr. Wintermute
     
    D r. Wintermute, ich wäre dankbar, wenn Sie nach Miss Clara sehen könnten.«
    Dr. Wintermute klappte sein Buch zu. Einen Finger hielt

Weitere Kostenlose Bücher