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Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Titel: Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Amy Schlitz
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nicht einzuatmen. »Du hast nur schlecht geträumt«, murmelte sie, »das war nicht echt, nur ein Traum. Ich bin bei dir und du bist in Sicherheit.« Vielleicht eineinhalb Minuten lang verharrten sie so eng umschlungen, dann stieß Parsefall sie weg. »Lass mich los«, knurrte er.
    Lizzie Rose schoss durch den Kopf, dass sie ihm jetzt einfach eine Ohrfeige verpassen könnte. Er war nahe genug und hätte es verdient. Sie schob den bestechenden Gedanken beiseite und griff nach dem Schürhaken. »Ich mache noch mal Feuer«, wisperte sie. »Du bist eiskalt.«
    Parsefall schlang die Arme um seine Knie. Er zitterte noch immer und widersprach nicht. Er schaute zu, wie Lizzie Rose Kohlen nachlegte und in der Glut stocherte. Im Schein des aufflackernden Feuers schien sein schmales, kleines Gesicht verändert. Bei Tageslicht war er ein schmächtiger, unscheinbarer Junge, aber jetzt wirkte er auf sonderbare Weise hübsch. In seinen eingefallenen Wangen lagen Schatten und seine hellen Augen glänzten silbern.
    »Also, was hast du geträumt?«, fragte Lizzy Rose munter.
    Sie wusste, er würde es ihr nicht erzählen. Das tat er nie. Womöglich erinnerte er sich nicht einmal an seinen Traum.
    »Nix«, erwiderte Parsefall tonlos.
    »Willst du weiterschlafen? Ich bleibe noch bei dir sitzen.«
    Parsefall antwortete nicht.
    »Soll ich dir eine Geschichte erzählen?«
    Damit packte sie ihn. Zärtlichkeiten wies er zurück und Mitleid prallte an ihm ab, aber er liebte Geschichten. Im Arbeitshaus hatte man ihm keine erzählt. Und so kannte er lediglich die Handlungen von Grisinis Stücken für das Puppentheater. Lesen konnte er nicht und auf Lizzie Roses Bemühungen, ihm das Alphabet beizubringen, reagierte er immer mit Ablehnung. Aber er liebte Geschichten.
    »Aschenputtel?«, fragte er begierig.
    Lizzie Rose lächelte in sich hinein. Das war sein Lieblingsmärchen und ihre beste Geschichte. Sie hatte sie unzählige Male erzählt und jede Einzelheit perfekt ausgearbeitet: Wenn sie in der Stimmung dazu war, blieb es ihm nicht erspart, dass sie jeden Edelstein an der verzauberten Kutsche und jede Schleife an Aschenputtels Ballkleid beschrieb. »Kuschel dich in die Decken und ich erzähle dir das Märchen«, flüsterte sie und griff nach seinem Quilt, den sie wie einen Kokon um ihn legen wollte.
    Mit einem Klirren fiel etwas aus den Falten der Steppdecke auf den Boden. »Was ist das?«, zischte Lizzie Rose.
    Parsefalls Hand schnellte vor, aber ausnahmsweise war Lizzie Rose schneller. Sie schnappte sich den Gegenstand und hielt ihn in den Schein des Kaminfeuers. Es war eine Fotografie in einem Silberrahmen.
    »Parse, wo hast du das –?« Schlagartig wusste sie Bescheid. »Du hast sie gestohlen!«
    »Hab ich nich’«, entgegnete Parsefall reflexhaft.
    »Hast du wohl. Du hast sie im Haus der Wintermutes gestohlen! Ach!« Lizzie Rose erinnerte sich daran, wie Parsefall am Morgen in fieberhafter Eile seine Bettdecken beiseite geräumt hatte. »Deshalb hattest du solche Angst vor der Polizei.«
    »Hatte ich nich’«, widersprach Parsefall, doch es klang ziemlich schwach.
    »Du bist ein Dieb!« Lizzie Rose gab ihm eine Ohrfeige. »Ach, Parsefall, du solltest dich schämen!«
    Parsefall wechselte die Taktik. »Die sind reich genug«, verteidigte er sich.
    »Reich genug«, fauchte Lizzie Rose verächtlich. »Alle ihre Kinder sind tot, und du sagst, sie sind reich genug. Hast du gar kein Mitgefühl?«
    »Eins tut ja noch leben«, protestierte Parsefall schwach.
    Lizzie Rose ohrfeigte ihn abermals. »Ja, die arme Clara!«, sagte sie. »Falls sie nicht entführt wurde und wieder auftaucht. Oh Parsefall, wie konntest du nur? Kannst du denn nicht Gut und Böse unterscheiden?«
    Parsefall hatte den Mund schon zu einer Antwort geöffnet, aber schloss ihn wieder. Es schien ihm zu dämmern, dass dies eine gefährliche Frage war.
    »Was sollen wir jetzt bloß machen?« Lizzie Rose drehte die Fotografie in den Händen und las den Schriftzug auf der Rückseite. » Charles Augustus Wintermute  – das war Claras Zwillingsbruder.« Sie studierte das Bild genauer. »Oh, Parsefall«, jammerte sie. »Er liegt in seinem Sarg!«
    »Nee, oder?« Parsefall griff nach dem Foto und betrachtete es eingehend. »So genau hab ich’s mir nich’ angesehen. Ich hab gedacht, er schläft. Er is’ ’n richtig kleiner feiner Pinkel, was?«
    Lizzie blickte ihn stirnrunzelnd an. »Du solltest nicht so von ihm sprechen, jetzt da er tot ist.«
    »Es is’ doch nich’ meine

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